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Sohn, denn da dieser nicht die Mittel hatte, wie andere 
Studenten zu reiten, zu fahren, sich ganze Nächte lang 
in die Bierhäuser ¿u setzen, so mußte er zu Hause blei¬ 
ben, wo von ibm die edle Zeit, die andere so unver¬ 
antwortlich vergeuden, viel nützlicher zum Studieren 
und zur Erweckung seiner Kenntnisse angeweudet wurde. 
Während seines Aufenthalts zu Erfurt bekam Lu¬ 
ther einmal auf der Universitätsbibliothek eine lateini¬ 
sche Bibel in die Hände, die erste, die er in seinem Le¬ 
ben sah. Er durchblätterte sie begierig, und fand viel 
mehr darin als er dachte. Nichts war ibm vorher da¬ 
von bekannt als die Evangelien und Episteln, die an 
den Sonn- und Festtagen in der Kirche verlesen wer¬ 
den; hier aber hatte er vollständig das alte und neue 
Testament im Zusammenhänge, er konnte beides mitein¬ 
ander vergleichen, und sehen, wie wenig die Lehren der 
römischen Kirche mit den einfachen, sanften und ver¬ 
ständlichen Lehren Jesu Übereinstimmung_ 
Bis jetzt hatte sich Martin Lufsser^nach dem 
Wunsche seines Vaters, dem Studium der Rechte gewid¬ 
met; nun eckelte es ihn an, und es erwachte auf ein¬ 
mal in ihm die Liebe zur Religionswissenschaft, der er 
sich auch mit allem Eifer hingab. Ihn ängstigte nur 
noch der Gedanke, ob er bei den Unvollkommenheiten 
und Sünden, deren er sich bewußt war, auch würdig 
sei, ein Diener Gottes zu heißen? Noch heftiger wurde 
sein zartes Gewissen durch einen erschrecklichen Donner¬ 
schlag aufgeschreckt, der auf einer Reise von Mannsfeld 
nach Erfurt, seinen jungen Freund Aleris an seiner Seite 
niederschmetterte. Luther hielt diesen Schlag für einen 
Wink des erzürnten Himmels. Er hatte nun keine Ruhe 
mehr in dem Getümmel der Welt; er faßte den Ent¬ 
schluß, durch fromme Bußübungen in klösterlicher Ein- 
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