Full text: [Teil 3, [Schülerbd.]] (Teil 3, [Schülerbd.])

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dort aufschlägt. Im Winter zieht er sich in das Innere der 
Wälder, um dort Schutz vor den rauhen Winden und Brennholz 
zu finden; auch ist dort für die Renntiere mehr Moos und für die 
Menschen manches jagdbare Wild. Sobald das Laub von den 
Bäumen fällt, geht der Zug fort. Das Zelt wird abgebrochen 
und auf den Rücken eines Renntieres gepackt. Ein Korb aus 
Baumrinde und Zweigen empfängt die wenigen Hausgeräte samt 
den Käsen und übrigen Eßwaren; dieser Korb hängt an der einen 
Seite des Tieres, an der anderen schaukelt die Wiege mit dem 
Kinde. Diese Wiege ist aus Birkenholz in der Form eines Schlit— 
tens, mit Renntiermoos gepolstert und hat ein Renntierfell als 
Decke. Sind zwei kleine Kinder da, so werden sie auf jede Seite 
des Tieres verteilt, gerade so wie die Körbe. Die Familie selbst 
geht zu Fuß; ein Teil derselben mit dem Hausvater zieht an der 
Spitze und giebt acht auf die Lasttiere. Dann folgt die Herde. 
Die Nachhut wird von den übrigen Genossen und den Hunden 
gebildet. 
Das Winterzelt wird wieder in derselben Weise wie das 
Sommerzelt aufgeschlagen, die Herde weidet nach wie vor im 
Freien, und die Hirten müssen den Stürmen und Schneewehen 
Trotz bieten, wie die Beduinen mit ihrem Samum und Chamsin 
kämpfen. Die Winterkleidung des Menschen besteht nun ganz aus 
der Haut seines treuen Lebensgefährten, und man kann sagen, daß 
der Mensch ganz in die Haut des von ihm geschlachteten Renn— 
tieres hineinschlüpft. Die große Haut wird zum Pelz, die Ga— 
maschen und Handschuhe werden von dem Teile des Felles gemacht, 
das an den Schenkeln des Tieres gesessen, die Schuhe von der 
Haut des Kopfes verfertigt. Die Haare sind nach außen gekehrt, 
und wegen der besonderen Festigkeit und Dichtigkeit ihres Gewebes 
ist es unmöglich, daß die Kälte durchdringt. Um die innere Wärme 
des Körpers zu unterhalten und den freien Umlauf des Blutes 
nicht zu hemmen, ist, jeder Teil weit und bequem gemacht; ins— 
besondere sind die Ärmel des Pelzes so weit, daß die Arme mit 
Leichtigkeit ausgezogen und wieder eingesteckt werden können, ohne 
daß man nötig hat, den Pelz auszuziehen. Wenn der Lappe ge— 
nötigt ist auf dem Schnee zu schlafen, und ihm, ein Arm vor Frost 
erstarrt, so kann er denselben leicht aus dem Armel ziehen und am 
Leibe wieder erwärmen. 
Das Renntier hat einen wunderlichen Instinkt sich inmitten 
des Schneegestöbers wieder zurechtzufinden; sein Herr weiß zwar auch 
nach dem Laufe des Gebirges und den Sternen am Himmel Ort 
und Richtung zu bestimmen, aber wenn Nebel und Schnee alle Aus— 
sicht verbannen, bleibt das kluge Tier seine einzige Rettung. So 
wird der Beduine oftmals durch das Kamel gerettet, das, wenn alles 
am Verschmachten ist und nirgends eine labende Quelle sich zeigt, 
in der größten Entfernung das kostbare Wasser merkt und dann un— 
aufhaltsam dem Rettungsorte zueilt. 
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