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Sündhaftes mehr zu begehen. Andere spendeten alle ihre Habe mit 
verschwenderischer Großmut an gebrechliche Greise und Dürftige, 
indem sie als höchsten und genügenden Reichtum sich anrechneten, 
daß Gott ihnen vergönnt hatte, diesen Tag zu sehen. Wieder andere 
gingen mit gebeugten und entblößten Knien unter Schluchzen und 
tiefem Seufzen an den verehrungswürdigen Orten umher und be¬ 
netzten alle mit der Besprengung ihrer Tränen, und mit Recht konnten 
sie die Worte an den Herrn richten: „Meine Augen haben die Wasser¬ 
quellen herbeigeführt" (Psalm 119, 136). Kurz, es ist schwierig, 
die unbegrenzte fromme Andacht, welche das gläubige Volk erfüllte, 
in Worte zu fassen. Einträchtig bemühten sie sich in Werken der 
Frömmigkeit, indem sie um die Wette einander gegenseitig zu über¬ 
treffen suchten. Denn sie waren eingedenk der himmlischen Wohltat 
und hielten sich die göttliche Gnade vor Augen, welche ihre vielen 
Mühen zu belohnen geruhte. Denn wer hat so steinernes Herz und 
so eisernen Sinn, daß sein Inneres nicht weich werden sollte, wenn 
er solcher Pilgerfahrt höchst würdige Frucht ernten und solchen Kriegs¬ 
dienstes Sold abzählen kann. Die aber, deren Sinn höher war, 
nahmen diese Gnade als Bürgschaft für den künftigen Lohn, den der 
Herr seinen Heiligen versprochen hat, so daß durch die Gewährung 
der gegenwärtigen Gaben die Hoffnung auf die künftigen sicher sei 
und daß man durch das Jerusalem, zu dem man hieniebert pilgert, 
zu jenem gelange, wo wir mit ihm in Gemeinschaft treten. Sofort 
brachten die Bischöfe und Priester dem Herrn in den Kirchen Opfer 
dar, beteten für das Volk und dankten für die erwiesene Wohltat. 
24. Nachdem nun die Gebete verrichtet und die ehrwürdigen 
Orte in aller Andacht besucht waren, schien es den Fürsten ersprießlich 
zu sein, wenn vor allem andern die Stadt und hauptsächlich der 
Umkreis des Tempels gereinigt würde, damit die Leichen der Er¬ 
schlagenen nicht die Luft verpesteten. Daher wiesen sie dies Geschäft 
den gefesselten Bürgern zu, die durch Zufall dem Tod entkommen 
waren. Weil man aber sah, daß diese für die große Arbeit nicht 
ausreichten, gab man auch den Armen im Heere einen täglichen 
Sold, daß auch sie dabei helfen und die Stadt ohne Aufschub reinigen 
sollten. Nach diesen Anordnungen kehrten die Fürsten ein jeder 
in seine Wohnung zurück, indem sie die Häuser, welche inzwischen ihr 
umhereilendes Gesinde eingerichtet hatte, als Herbergen benutzten. 
Da sie die Stadt von Lebensrnitteln voll und aufs reichlichste mit 
allen Vorräten versehen fanden, so hatten alle vom Höchsten bis zum 
Geringsten den größten Überfluß. Es fanden sich nämlich in den 
erbrochenen Häusern Gold und Silber, Edelsteine und kostbare 
Kleider, Frucht, Wein und öl, aber auch Wasser, an dem sie während 
der Belagerung den größten Mangel gelitten hatten, in ungeheurer 
Quellenlesebuch. Bd. 2. 9
	        
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