Zigeuner. 75
darüber eine zerlumpte Zeltdecke oder Schilf und Unkraut ge-
breitet, und die einzige Öffnung dient als Thür, Fenster und
Schlot zugleich. In diesen Löchern kauert die ganze Familie
am Boden um das Feuer herum, und selbst Schweine und
Hunde finden daneben noch ein Unterkommen.
In ihrer Lebensweise und ihren Sitten sind die Zigeuner
ganz ihrer orientalischen Abkunft getreu geblieben. Sie sind
von unbesiegbarer Trägheit, und daran, wie an ihrem uu-
widerstehlichen Hang zum Umherschweifen, sind von jeher die
Pläne, sie seßhaft zu machen und der Gesittung zuzuführen,
gescheitert. Die leichteste Weise, ihren Unterhalt zu gewinnen,
ist ihnen die liebste. Dabei herrscht eine gewisse Eitelkeit als
Grundzug ihres Charakters vor, wie man besonders am weib-
lichen Geschlechte und an den Wohlhabenderen unter ihnen
beobachten kann. So verachtet sie sind, so können sie gewisse
aristokratische Neigungen nicht verbergen. So z. B. bekennen
sie sich stets zur Religion der Gutsherrschaft und sind heute
Katholiken, morgen Griechen, Protestanten u. s. w. Denn es
schmeichelt ihrer Eitelkeit, ist wohl aber auch zugleich berechnende
Schlauheit, wenigstens in einem Punkte mit dem Herrn auf
gleicher Stufe zu stehen. Obgleich zerlumpt und voll Ungeziefer,
weisen sie mit einer Art von Selbstgefühl auf die Stammes-
genossen, die sich Wohlstand erworben haben. Außerdem ist der
Zigeuner sehr genügsam und hat eine unermüdliche Ausdauer,
Beschwerlichkeiten und Entbehrungen zu ertragen. Ein leinenes
Hemd und beim Manne noch eine Hose von demselben Stoffe
sind fast die einzigen Kleidungsstücke, mit denen sie sich gegen
die Glut der Sommersonne wie gegen die heftigste Winterkälte
schützen. Selten kommt dazu noch ein zerlumpter Lappen, der
als Mantel um die Schultern flattert.
Die Zigeuner stehen immer unter einem Oberhaupte, das
der Gutsherr aus ihrem Stamme ernennt und zur Handhabung
der Polizeigewalt verpflichtet. Das Gewerbe der Zigeuner
wechselt nach Neigung und Geschick. Die Einen streichen Ziegel
für Rechnung der Gutsherrschaft, denn in Lehm und Erde
wühlen und formen ist eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen;
andere sind Maurer, wieder andere Huf- und Nagelschmiede.
Man muß aber dabei an keine große Werkstätte denken. Neben
der Straße ist ein Loch in die Erde gegraben, ein paar schief
an einen Baumast gelehnte Bretter bilden das Dach. In der