Metadata: Volume (Oberkl. = 5. Schulj)

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und kamen in einem langen, feierlichen Zuge im Lager der Feinde 
an. Sie warfen sich vor dem Kaiser auf die Kniee und baten 
so süße und flehten so innig, daß es einen Stein hätte erbar¬ 
men mögen. Aber Konrad war von dem Widerstande so erbit¬ 
tert, daß die Weiber mit allem Flehen und Weinen nichts er¬ 
langen konnten, als freien Abzug für ihre eigene Person. „Das 
sei euch noch gegönnt, sagte der Kaiser, daß Jede von ihrer 
liebsten Habe so viel aus der Stadt tragen darf, als ihre Schul¬ 
tern vermögen." Traurig kehrten die Frauen mit diesem Be¬ 
scheide zurück; noch trauriger vernahmen die Männer die harte 
Antwort. Da trat eine junge Frau auf und sprach: „Der 
Kaiser hat versprochen, uns, mit unsern liebsten Schätzen be¬ 
laden, abziehen zu lassen. Was haben wir aber für köstlichere 
Schätze, als unsere Männer? Diese also müssen wir retten? 
Warum sollten wir sie nicht eben so leicht, als unser Gold und 
Silber, unsern Schmuck und unsere Kleidung fortbringen können? 
Ich für meine Person bin entschlossen, meinen wackern Gemahl 
auf den Rücken zu nehmen und durch das ganze kaiserliche Lager 
zu tragen. Wer eben so denkt, der mache es, wie ich." 
Kaum waren diese Worte gesprochen, so lohnte ein mäch¬ 
tiger Beifallssturm den köstlichen Einfall; und als der nächste 
Morgen angebrochen war, öffnete sich das Thor, welches dem 
kaiserlichen Zelte gegenüber lag, und daraus kommt ein langer, 
langer Zug von Frauen hervor, von denen jede ihren Mann 
keuchend auf dem Rücken daher schleppt. Der Kaiser machte 
große Augen, konnte aber das Lachen nicht zurückhalten und 
sagte beifällig: „Wenn nur unsere Frau es auch so meint!" 
Es fehlte zwar nicht an Leuten, die dies als einen Betrug dar¬ 
zustellen versuchten; aber der Kaiser wies sie zurück und sagte: 
„Ein Kaiserwort darf man nicht drehen, noch deuteln!" Er gab 
allgemeinen Pardon, und ein herzliches Fest besiegelte den Ver¬ 
trag des Friedens. Die Ruine der Burg zu Weinsberg heißt 
bis auf diesen Tag die Weibertreue. 
20. Kaiser Friedrich I., der Rothbart. (Sage.) 
Tief im Schosse des Kyffhäusers,*) 
Bei der Ampel rothem Schein, 
Sitzt der alte Kaiser Friedrich 
An dem lisch von Marmorstein — 
* * 
:) Bergruine in Thüringen.
	        
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