Gebiet bet Oder.
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Wasser wie Silberbänder herabfallen, deren eintöniges Geräusch allein die fried¬
liche Stille dieser Wüstenei unterbricht. Weiter links wetteifert eine andere Schlucht
mit dieser an Furchtbarkeit: nämlich der T e u fe ls g run d. Da hinab rauscht zur
eben entstaudeuen Elbe das Weißwasser, weiter als irgend eine der Elbquellen
von oben herabkommend; denn diese entspringen in der Höhe von 710 Klaftern,
jenes noch 15 Klafter höher und zwar ans der weißen Wiese. 'Dies ist eine
große unebene Fläche auf dem Gebirg, wohl eine Quadratstnnde im Umfang, die
sich an den obern Gipfel der Schneekoppe hinauslehnt und seitwärts, hier als
Rand des Riesengrundes, dort zum Teufelsgrnnde abbricht. Aehnliche Schlünde
sind aus der nordöstl. oder schlesischen Seite des Hauptkammes. Man nennt sie
Schneegruben (die große und kleine), weil ihre dunkelsten Winkel nur wenige
Monate des Jahres völlig ohne Schnee sein mögen. Ihre Lage ist östlich vom
großen Rad. Am obern Rande in einer Höhe von 764 Klaftern ergreift den
Wanderer ein Schauder beim Anblick der entsetzlichen Tiefe; 1000 und mehr Fuß
herauf starren die Felswände und Granitzacken. Unten sind die Schluchten noch
durch Berge von Granittrümmern verschanzt, die erst weiter abwärts einem Thal
Platz machen, wo die Wildheit aufhört. Dies Thal, vom Sturzbache durchrauscht,
führt nach Hermsdorf, % St. von Warmbrunn am Zacken, in dessen Nähe die
von Theodor Körner besungenen Burgtrümmer des Kynast liegen. Die Er¬
wähnung einer alten Burg erinnert daran, daß des berühmten Wallensteius
Schloß Fried land, welches er nebst dem Herzogstitel vom Kaiser zum Ge¬
schenk erhielt, in der Nähe ist, und zwar am nordwestl. Ende des Gebirgs, wo
an den Fuß der Tafelfichte sich Berge reihen, welche die Thäler der Lausitzer-
Neiße bilden. Schloß Friedland zeigt sich auf einem freien Basaltfelsen, von der
Wittach umflossen. Man findet daselbst ein altes Bild des berühmten Feldherrn
in ganzer Gestalt. Er trägt ein ledergelbes Wams mit übergeklapptem Spitzen¬
kragen; an rother Feldbinde hängt das Schwert. In der Hand führt er den
Commandostab. Vor ihm auf einem Tisch liegen Helm und Handschuh. Das
Gesicht ist voll Ausdruck, doch mehr verschlagen, als edlen Ernstes.
Die Kuppen des Riesengebirgs sind nackt, die Hänge und niedern Joche wald¬
reich, doch mehrentheils voll Nadelholz. Ueber der Höhe von 600 Klaftern gedeiht
nur noch eine Strecke hinauf das niedere Knieholz, dieselbe Baumart, ans deren
rothem Holze man in Ungarn das Krummholzöl destillirt. Abwärts in der Höhe
von 300 bis 450 Klaftern trifft man schon Hafer- und Kartoffelfelder. 600 Fuß
tiefer beginnt der Roggenbau. Die Thierwelt ist mannigfaltig; doch sind Wölfe
und Luchse soweit ausgerottet, daß höchst selten einer zum Vorschein kommt. Im
Jahre 1726 ward der letzte Bär geschossen. Ueberall im Gebirg gibt es, wo keine
Dörfer sind, zerstreute Wohnungen, Bauden genannt. Man zählt ihrer 2500,
die an 20000 Kühe und 12000 Ziegen halten. Der Reisende findet leicht ein
Obdach und einfache Kost. Wer die Schneekoppe besteigt, pflegt gewöhnlich in der
Hampelbaude (3856' Seehöhe) oder in der Wiesenbaude (4284') zu über¬
nachten. Die Baudner des obern Gebirgs sind oft Monate lang außer aller Ver¬
bindung mit den Thalbewohnern, sie bewahren ihre Leichen so lange im Schnee,
bis das Thauwetter erlaubt, sie hinab zum Kirchhofe ihres Orts zu bringen.
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