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Mittel-Europa.
die Hauptschlacht auf der Ebene. Was der Annalist davon berichtet, ist leider
nicht viel, doch hinlänglich, um den Muth und die Ausdauer der Deutschen, die
ungestüme Hitze des Feindes, die schweren Opfer, die der Tag gekostet, und die
Bedeutung des Siegs zu ermessen. Die Fürsten stritten ganz gleich den Recken
und Knechten. König Otto mit Schild und Schwert, und mit geweiheter Lanze
(denn es galt den Heiden) drang selbst — und dabei wehete im Reichsbanner der
Erzengel Michael, der Siegbringende, neben ihm — an der Spitze der Sachsen
mitten in die Ungarn ein**). Ingrimmig war der Kampf, laut tosend. Das
Klirren der Schwerter und Panzer, das Splittern der Speere, wie das unauf¬
hörliche Geschwirr der Bogeusennen uud Pfeile und das zwiefache Schlachtge¬
schrei von hüben und drüben, erfüllten die Luft. Da deckte mancher Held als
Leiche das Gras, da fielen schwer verwundet sogar die Bischöfe von Regensbnrg
und Eichstädt. Da vor allen hatte man Herzog Konrad's Tod zu beklagen; ein
Pfeil traf ihn in den Hals, eben als er, seines Orts schon Sieger, der Hitze
halber das Panzerhemd lüftete. Aber das Glück bot Ersatz, es entschied sich auf
jeglichem Punkte der weiten Wahlstatt gegen die Ungarn. An einer Seite über¬
flügelt und an den Lech gedrängt, litten sie außerordentlich. Der Tod wüthete
unter ihnen. Noch im Strom, ihrer einzigen Zuflucht, kamen sie, durch sich
selbst gehemmt, massenweis um; und was sich glücklich hindurch rettete, ward
von den Verfolgern, mehr noch von dem ergrimmten Landvolk erschlagen. Manche
kostbare Sachen, auf ihrem Heranzuge zusammengeraubt. fielen den Siegern in
die Hände, und unter den Gefangenen drei der Häuptlinge, die später der
Baiernherzog, Otto's Bruder, aufknüpfen ließ. So war das Ende des letzten
Einbruchs der Magyaren. Keine ihrer Horden wagte sich wieder heran, sie hatten
das deutsche Volk, wenn es einig ist, kennen gelernt, wurden auch daheim all-
mählig angesessener und nahmen am Schluß des Jahrhunderts die christliche
Taufe an.
König Otto, nachdem er die Augsburger beschenkt, auch geboten, die Leiche
Konrad's nach Worms zur feierlichen Bestattung abzuführen, überließ die Bestrafung
des Bischofs von Salzburg dem Gutdünken des Baiers, und zog, aller Orten
freudig begrüßt, nach Nordosten, wo ebenfalls die Vertheidigung des Vaterlands,
doch diesmal gegen eingedrungnes Slavenvolk, seiner wartete. Weithin ver¬
breitete sich indessen sein Ruhm, sogar in entferntes Ausland. Denn aus By¬
zanz , ja von muselmännischen Fürsten, kamen Gesandte, wie anderthalb Jahr¬
hunderte früher zum großen Karl, und brachten, ihm ihre Hochachtung zu be¬
zeugen, reiche Geschenke an schönen Gefäßen aus Gold und Silber, Glas und
Elfenbein, auch an seltnem Gethier, wie Affen, Kameele, Löwen und Strauße,
zum Erstaunen des Volkes.
Auch in die Ferne der Zeiten dringt der echte Ruhm. Der Deutsche vergißt
seinen Otto nicht, und wenn er die sinnige Sage vom Kyffhäuser bedenkt, so
findet er bald, daß sie unter dem schlummernden Kaiser nicht den Rothbart allein,
**) Näheres in Bezug auf das Reichsbanner siehe im letzten Abschnitt das
Kapitel über Deutschland.