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Der polnische Freiheitskampf.
dem alten polnischen Kriegshelden Czarnecki errichtet ist, ein großes religiöses
Dankfcst gehalten, um die Befreiung des vaterländischen Bodens von den
fremden Unterdrückern zu feiern. Noch pflegte man der sorglosesten Ituhe,
als plötzlich von Lubienski die Schreckensbotschaft kam, daß Diebitsch mit
seiner ganzen Armee über den Bug gegangen sey und die Polen in der
rechten Flanke und im Rücken bedrohe. Prondzynski, mit seinem kühnen
Feldhcrrnblicke, schlug vor, sich auf Lomza zurückzuziehen, das von den
Russen stark befestigt und mit großen Vorräthen versehen worden war, und
von wo man, an die Narcw gelehnt, dem Aufstande in Lithauen die Hand
bot. Skrzynecki fürchtete aber nichts so sehr, als von Warschau abgeschnitten
zu werden, obwohl er die Hauptstadt unbesorgt sich selbst überlassen konnte,
da Uminski, der sie decken sollte, durch die beiden vom linken Weichselufcr
herübergezogenen neu gebildeten Corps von Dziekonski und Biclinski verstärkt,
eine Macht von 23,000 Mann zu seiner Verfügung hatte. Das polnische
Heer trat daher in der größten Eile seinen Rückmarsch an, der aufOstrolcnka
gerichtet war, weil dadurch, wenn man diesen Ort nur einige Tage zu be¬
haupten vermochte, Giclgud eine Gelegenheit erhielt, sich wieder mit der
Hauptmast zu vereinigen. Aber schon schallte der Kanonendonner vom Bug
herüber. Lubienski war von den Russen, die oberhalb Nur den Strom
überschritten, in seiner Stellung angegriffen und mußte sich mitten durch ihre
Colonnen einen Ausweg bahnen. Bei Czyzewo stieß er zu dem Hauptheere,
dessen Nachhut er von diesem Augenblicke bildete. Am 23. des Nachmittags
traf Skrzynecki in Ostrolenka ein, von wo er am Abend und in der Nacht
ans das jenseitige Ufer der Narew überging, jedoch in der Meinung, daß
Diebitsch noch weit zurück sey, Lubienski den Befehl ertheilte, sich in einer
vortheilhaftcn Stellung vor Ostrolenka zu halten. Der polnische Oherbefehls-
haber war in solcher Sicherheit, daß er seine Parks in der Richtung von
Modlin abschickte und sein Heer in aller Ruhe lagern ließ, als ob ein An¬
griff des Feindes außer dcu Grenzen der Möglichkeit läge. Nur wurde auf
Prondzynski's Rath eine Reihe mit Wald bedeckter Sandhügel, welche die
Narcwbrückc beherrschten, mit schwerem Geschütz besetzt, um die Russen nicder-
znschmcttern, wenn sie später den Uebcrgang versuchen sollten. Aber Lubienski
hatte nicht, wie der Oberbefehlshaber glaubte, bloß die russische Vorhut,
sondern den Felkmarschall Diebitsch, der den Polen in angestrengten Eilmär¬
schen auf dem Fuße gefolgt war, mit seiner ganzen Armee vor sich. Er