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entriß, schaarten sich hier die Helden des frommen Abendlandes
und verspritzten in der Tapferkeit ihres felsenfesten Glaubens den
letzten Blutstropfen.
„Welchen Namens ist dort die Burg, welche nur einige
hundert Schritt von hier auf dem Gipfel jenes Hügels steht?"
fragte ich den Begleiter. „Jene Gruppe von Gebäuden gemahnt
mich heimatlich an die Bauart in dem Welttheil, in welchem
mein Vaterland sich findet." — „Das ist die Davidsbürg
auf Zion," antwortete eintönig der Führer, nur bestätigend,
was ich selbst zuvor gedacht. — Also hier hat der Mann ge¬
haust, der größte seiner Zeit, der ein Prophet war, ein Dichter
und ein König! Von Zion aus konnte der König Jerusalem
beschauen, seine Stadt; der Dichter ungestört des Flusses strö¬
mende Welle und das stille grünende Thal, die Terebinthen- und
Olivenbäume betrachten, wie sie die Häupter der Hügel schmücken;
der Prophet von der Höhe der Burg den Willen des Himmels
erlauschen und in ihren stillen Räumen den Geheimnissen der
göttlichen Weisheit nachforschen. „Dort außerhalb der Stadt,"
unterbrach mich wieder der Führer, „sehen Sie das Haus, wo
Christus das Abendmahl stiftete." Dort nahm er Abschied,
bangen Abschied von seinen Jüngern, vom Leben.
Gegen Südost weitet sich die Aussicht. Vor dem Auge des
Betrachters liegt das Thal Josaphat, die Moschee auf Morija
und weiterhin der Kessel des todten Meeres.
Es gibt wohl keinen Anblick, der die Seele mit so trüben
Gedanken zu füllen vermag, wie das Thal Josaphat. Eine enge
Schlucht zwischen zwei Höhen, deren eine der Oelberg ist, deren
andere die Stadt Jerusalem trägt. Mitten hindurch schleicht der
fast wasserlose Kidron; des Thales einziger Schnruck sind die
Grabmäler, die in seinem Schooße liegen. Niemals scheint die
Sonne in diese düstere Tiefe; Morgens verbirgt sie sich hinter
dem Oelberg und Nachmittags hinter Morija. Es ist das Thal
der Schatten und der Gräber. Kein Wunder, daß drei Religio¬
nen in den Wirkungen zusammenstimmen, welche die Schrecknisse
dieses Thales auf den Wanderer üben; Juden und Muhameda-
ner verlegen hierher das Gericht, welches am Ende der Tage
der Menschheit harret.
Rechts von der Kidronbrücke befinden sich die Gräber Ab-
salom's, Iosaphat's und Sacharja's. Betende liegen in
ihrer Nähe hingestrcckt, und eine Masse aufgeschichteter Steine
vermehrt noch das Grausige dieser Stätte. Der Zorn der Türken
hat diese Steine vor das Grabmal Absalom's geworfen. Indem