Full text: Bilder aus der Länder- und Völkerkunde, wie auch aus der Physik der Erde

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das Delta oder Unter-Aegypten, jetzt Bahn oder Bahireh ge¬ 
nannt, Mittel-Aegypten (Westanieh oder Wostani), welches bis 
Siut (27o 10' N. B.) hinaufgeht, und Ober-Aegypten (Said). 
Die regelmäßigen Winde *) (vents étésiens), welche wäh¬ 
rend der Monate Mai, Juni und Juli beständig wehen, nehmen 
alle an der Nilmündung sich bildenden Wolken mit sich fort, 
lassen nicht eine einzige über diesem stets heitern Lande weilen, 
sondern tragen sie zu den Gebirgen Abyssiniens. Dort häufen 
diese Wolken sich an, stürzen während der Monate Juli, August 
und September als Regen hinunter und bringen das berühmte 
Phänomen der Nil-Ueberschwemmungen hervor. So empfängt 
das Land durch das Austreten des Flusses die Gewässer, welche 
es nicht vom Himmel empfängt. Es regnet dorr nie; und die 
Sumpflandschaften des Delta, welche pesthauchend sein würden 
unter dem Himmel Europens, bringen in Aegypten nicht ein 
einziges Fieber hervor. Der Nil läßt nach seinem Austritt einen 
fruchtbaren Schlamm zurück; dies ist das einzige des Anbaus 
fähige Land an seinen Ufern und bringt jene reichen, einst zur 
Ernährung Roms bestimmten Ernten hervor. Je weiter die Ueber- 
schwemmung sich ausdehnt, desto mehr anbaufähigen Bodens 
gibt es. Die Eigenthümer dieses alljährlich durch die Gewässer 
nivellierten Landes theilen sich dasselbe alljährlich durch Vermes¬ 
sung ; auch ist das Feldmessen (l’arpentage) eine wichtige Kunst 
in Aegypten. Kanäle könnten die Überschwemmung ausdehnen 
und Hütten den Vortheil, den raschen Lauf der Gewässer zu 
vermindern, sie länger aufzuhalten und die Fruchtbarkeit auf 
Kosten der Wüste auszudehnen. Nirgends könnte die Arbeit des 
*) Ja Aegypten weht der Wind während eines Jahres regel¬ 
mäßig aus allen 4 Weltgegenden, daher auch wohl die Benennung 
vents 6t68i6N8, d. h. Jahreswinde. Ende Mai's beginnt der küh¬ 
lende Nordwind, der den Abfluß des Nil hindert, also sein Steigen 
befördert; er treibt zwar schwere Wolken über das Land hin, führt 
sie aber ohne Regen den südlichen Gebirgsländern zu. Im September 
beginnt der Ostwind zu herrschen und um Weihnachten fängt die 
stürmische, veränderliche Zeit der Westwinde an, die im Februar vom 
Südwinde verdrängt werden. Dieser letztere artet im Süden oft in 
den erstickenden CH am sin, der nur im April und Mai sich zeigt, 
aus. — Was die weiter unten folgende Behauptung betrifft, daß es 
in Aegypten niemals regne, so ist sie mit einiger Einschränkung da¬ 
hin zu verstehen, daß der Regen in Ober-Aegypten fast nie, im Delta 
nur in den Sommermonaten vorkommt. 
A. d. H.
	        
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