Full text: Lehrbuch der vergleichenden Erdbeschreibung

152 Weltstellung der griechischen Halbinsel. §. 49. 
Lage, Physische Beschaffenheit (dort die größte Zerrissenheit des hori¬ 
zontalen Umrisses, hier die größte Maffenhaftigkeit) den ihnen am 
meisten benachbarten Erdtheilen (Asien, Afrika) verwandt, während die 
italische in allen diesen Beziehungen wesentlich europäisch ist. Wie 
verschiedenartig aber auch die horizontale und vertikale Gliederung ihrer 
Oberfläche ist (ein von Randgebirgen umgebenes und durchzogenes 
Tafelland auf der iberischen; ein mehrgliederiges Kettensystem auf der 
italischen; beide Formen nebeneinander auf der griechischen), so haben 
doch alle drei auch in ihrer plastischen Gestaltung etwas Gemeinschaft¬ 
liches: die glückliche Mischung von Berglandschaften und wohl bewässer¬ 
ten Thälern, Reichtbum an Häfen, aber Mangel an großen Tiefebenen 
und schiffbaren Strömen. Endlich kann in historischer Beziehung her¬ 
vorgehoben werden, daß von allen eine Weltherrschaft ausgegangen 
ist, zum Tbeil sehr verschiedener Art, von der griechischen und italischen 
sogar eine doppelte und zwar von verhältnismäßig kleinen Räumen 
aus: Macedonien hat eine politische, Athen eine geistige Weltherr¬ 
schaft ausgeübt; Rom ward zweimal der Mittelpunkt einer weit aus¬ 
gebreiteten Herrschaft, zuerst einer politischen, dann einer kirchlichen; 
Spanien, welches nächst Großbritannien am meisten vom Continente 
ab- und dem Ocean sowie den fernen Erdtheilen zugewandt ist, ward 
in Folge der oceanischen Entdeckungen ein Reich, in welchem „die Sonne 
nicht unterging". 
8. 49. 
Die griechische Halbinsel. 
W e l t st e l l u n g. 
Wie von den drei Halbinseln Südasiens die westliche, Arabien, 
sich als ein Mittelglied zwischen zwei Erdtheilen, Asien und Afrika, bei 
der Ausbreitung der arabischen Weltherrschaft nach O. und W. bewährt 
hat, so diente die östliche Halbinsel Europas, die griechische, bei 
der Ausbreitung und Entwickelung der Cultur als ein wesentliches 
Mittelglied zwischen dem übrigen Europa und Borderasien. Diese 
cultur-historische Bedeutung hat aber nur das eigentliche Griechenland 
erlangt; denn die Berglandschaften des unwegsamen Hämus und seiner 
nächsten südlichen Zweige sind stets der Sitz wilder Gebirgsftämme 
geblieben, während der südliche Theil der großen Halbinsel, in Ver¬ 
bindung mit der Westküste Kleinasiens, sowohl die empfangenen Keime 
der Cultur, als neue aus dem eigenen Schooße am frühesten entwickelt 
und im höchsten Grade veredelt dem Abendlande mitgetheilt hat. Die 
Landmaffe gewinnt in demselben Verhältnisse historische Bedeutung, wie 
sie aus dem breiten Berglande als eine Folge von Halbinseln^ hervor¬ 
tritt. Dies zeigt am deutlichsten eine Vergleichung des jetzt türkischen 
Nordgriechcnlands mit dem Mittlern und südlichen, denn wie ihm die 
peninsulare Form meistens fehlt, so griff es auch am wenigsten in den 
Gang der Geschichte ein.
	        
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