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Der Untergang der beiden Gracchen bildete nur das Vorspiel zu den
Bürgerkriegen. Die anscheinend verlorene Sache des Volkes sand nach kurzer
Zeit ihre neuen Vertreter. Von den Gracchen jedoch unterschieden sich diese
darin, daß sie als Sache j'des Volkes bezeichneten, was sie, von Ehrgeiz und
Herrschsucht getrieben, für sich erstrebten. Durch den Hochmut und die Ver¬
derbtheit des Adels angefacht, entbrannte der Parteienkampf mit erneuter
Heftigkeit, wurde aber mehr und mehr zu einem Kampfe der Führer, und
so sehr traten diese in den Vordergrund, daß sich die Geschichte der Bürger¬
kriege mehr als eine Geschichte des Streites der Führer darstellt. Neben diesen
hat noch eine ganze Reihe mehr oder minder bedeutender staatsmännischer
Persönlichkeiten längere oder kürzere Zeit eine Rolle gespielt, wie denn auch die
äußere Geschichte noch manche anziehende Abschnitte ausweist. Verlaus und
Ausgang der Bürgerkriege lassen sich in der Kürze in folgender Übersicht
zusammenfassen.
1. In betn Bürgerkriege zwischen Marius unb Sulla behnt sich bas Ringen ber
Parteien gegeneinanber, bas vorher auf bie Hauptstabt beschränkt war, auf Italien unb
auf bie Provinzen aus. ^Sullas Sieg kommt noch einmal bem Abel zu gute.
2. Eine gewaltige Heeresmacht, mit ber sie vorher bie Feinbe Roms bekriegt haben,
hinter sich, streiten Pompejus unb Cäsar, wer von ihnen bem Reiche gebieten soll. Um
Pompejus schart sich zuletzt auch bie Abelspartei, wennschon er vorher, mannigfach
schwankend, Beweise gegeben, baß ihm bas eigene Interesse am höchsten stehe. Mit bes
PornpeM Tode ist auch bie Sache bes Abels verloren. Die Früchte seines Sieges als
Jlletnherrscher zu gemeßen, wirb Cäsar burch bie Verschwörung feiner meist persönlichen
Gegner verhmbert 1
3. iBon da ab ist von einem Gegensatze ber Parteien kaum mehr zu reben. Unter den
neuen Häuptern Octavianus unb Antonius, bie als Freunbe bas Reich geteilt haben, tritt
ber festen bes Reiches in ben Kampf gegen ben Osten; ber letztere unterliegt mit Antonius,
unb ber Staatsklugheit des siegreichen Oetavianus gelingt es, die beiden Hälften zusammen¬
zuhalten und als Imperator zu regieren.
1. Marius und Sulla.
D>ie nächsten 20 Jahre nach dem Sturze des jüngeren Gracchus hielt
tne ^ptimatenpartei die Zügel der Regierung in den Händen, ohne daß ein
Gegner Aussicht gehabt hätte, ihre Stellung ernsthaft zu erschüttern. Wie
verderbt aber der schrankenlose Genuß seiner Vorrechte den Adel gemacht
z- h'T Jlä)' °I§ on 'ben Grenzen (des Reiches durch das Auftreten
feindlicher pachte ber Friede gestört wurde. Niedrige Habsucht trieb die
adligen Führer zur Käuflichkeit, ihr Ungeschick führte zu Mutigen Nieder-
lagen und ihre Zuchtlosigkeit verdarb die Manneszucht in den eigenen Heeren,
ansehen und Macht des römischen Namens zu retten, mußte der Adel einem