Full text: Lehrbuch der allgemeinen Erdkunde

II. Physikalische Geographie. 59 
besonders wenn die Ströme hohen Wasserstand haben. Am mäch¬ 
tigsten sind der Amazonenstrom und der Orenoko. 
So zogen die Matrosen eines den Rhonemündungen gegenüber, in be¬ 
trächtlicher Entfernung vom Lande segelnden Schiffes zufällig. aus dem 
Meere noch frisches Flußwasser auf. Das des Amazonenslromes ist noch in 
einer Entfernung von 240 Seemeilen mitten im Meere süß, und Colum- 
bus segelte schon lange im süßen Fahrwasser des Orenoko, bevor er noch 
die Küste des amerikanischen Festlandes gesehen hatte. 
§. 324. Der Wasserstand der ins Meer fallenden Gewässer 
ist im untern Theile ihres Laufes eine Strecke lang von der Ebbe 
und Fluth abhängig. Im Amazonenstrome bemerkt man de¬ 
ren Einwirkungen noch 80 deutsche Meilen landeinwärts, bei der 
Themse 14, dem Connecticut 10, dem Hudson 32, dem 
Potomac 40 Meilen, und bei der Elbe bis 4 Meilen oberhalb 
Hamburg, noch beim T o llen spiker.' 
». 325. Aus dem Zusammentreffen der Strömung eines mäch¬ 
tigen Flusses mit der Meeresfluth entstehen an manchen Stellen 
förmliche Wasserberge, welche, so lange sie dauern, den Schiffen alle 
Einfahrt in die Mündung unmöglich machen. Sehr gewöhnlich 
ist diese Erscheinung an den Mündungen der Garonne und Dor- 
dogne. Häufig ist der Andrang der See mächtiger als jener des 
Stroms, die Wogen rollen dann gegen das Gestade, zertrüm¬ 
mern Schiffe und vernichten überhaupt Alles, was ihnen im Wege 
liegt. In Frankreich nennr man dieses Anschwellen des Wassers 
zur Zeit der Springfluth Mascaret, in Hindustan die Bore, 
in Süd-Amerika, wo es an der Mündung des Amazonenstroms 
besonders furchtbar ist, Prororoca. Hier und in der Garonne 
wird es täglich zwei Mal beobachtet, an den Gangesmündungen 
dreimal. 
8. 326. In Betreff ihrer Länge wollen wir sämmtliche lau¬ 
fende Gewässer der Erde, der Uebersicht wegen, in zwölf Klassen 
eintheilen. 
Klasse. Lange in Meilen. Beispiele. 
I 000 — 800 Amazonenstrom. 
II 600 — 400 Nil. 
III 400 — 300 Donau. 
IV 300 — 200 Ural. 
V 200 — 150 Rhein. 
VI 150 —120 ± Duero. 
VII 120 — 100 Elbe. 
Vili 100 — 80 Seine. 
IX 80— 60 Weser. 
X 60— 40 Etsch. 
XI 40— 20 Themse» 
XII 20 und weniger . . . Reuß. 
§. 327. Die größten Ströme der Erde liegen auf der westli¬ 
chen Halbkugel, und der Mississippi mit dem in ihm einmünden¬ 
den Missouri ist der längste Strom auf Erden. Der Amazonen¬ 
strom ist um ein Geringes kürzer, übertrifft aber den Mississippi 
und alle übrigen Ströme der Erde an Wassermasse und an Aus¬ 
dehnung seines Stromgebietes. Seine Mündung ist volle zehn 
Stunden breit. Manche Nebenflüsse des Mississippi und Amazo¬ 
nenstroms gehören der Länge nach zur zweiten Klasse.
	        
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