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II. Physikalische Geographie.
Seen.
§. 330. Seen sind größere, rings von Land umgebene Was¬
serbehälter, die in keiner unmittelbaren Verbindung mit dem Meere
stehen. . .
§. 331. Mancke dieser Binnenbecken ergießen ihr Wasser,
das 'insgemein süß ist, vermittelst eines Stromes, der ihnen zum
Abzugskanale dient, ins Meer. Viele, besonders Seen im Gebirge,
haben einen Abfluß, aber keinen Zufluß; manche haben
weder Zufluß noch Abfluß, wie der Arend-See in der Alt¬
mark. Die meisten aber gehören derjenigen Klasse von Seen an,
welche Zuflüsse empfangen und auch wieder ausströ¬
men. Gewöhnlich haben sie, obschon mehre Flüsse einmünden,
doch nur einen Abfluß, der insgemein als Fortsetzung des bedeu¬
tendsten Zuflusses angesehen wird, wie denn diese Seen als erwei¬
terte Flußbecken betrachtet werden können. So ist der Genfer-See
eine Erweiterung des Rhone, der Boden-See eine solche des
Rheins, die kanadischen Seen sind eine Ausdehnung des St. Lorenz.
8. 332. Es giebt auch periodische Seen, die nur wah¬
rend der Regenzeit vorhanden sind, bald nach derselben aber ver¬
dunsten. Zu dieser Klasse gehört der Larayes-See im obern
Paraguay, der im Grunde nur ein ungeheurer Morast ist, und zu
gewissen Zeiten große Landstrecken in Bolivia und Brasilien unter
Wasser setzt. Aehnliches ist mit dem Guanacache in der argen¬
tinischen Republik und manchen anderen der Fall.
8- 333. Viele Seen nehmen Flüsse auf, haben aber
keinen sichtbaren Abfluß. Ein großer Theil des denselben
zugeführten Wassers verdunstet. Die Binnenbecken dieser Art sind
meist, besonders im russischen Asien, salzig; denn theils führen
ihnen ihre Zuflüsse, die über einen mit Salz geschwängerten Bo¬
den fließen, Theile von diesem Minerale zu, theils entstehen sie
aus dem Zusammenflüsse von Salzquellen, oder der See selbst
hat deren auf seinem Grunde, oder dieser letztere besteht aus Lagern
von Steinsalz. Hierher gehören der Kaspi- und Aral-See, das
todte Meer, der See Wan, der Urmiah- und Zerrah-See in
Asien, der Titicaca mit süßem Wasser in Amerika und viele an¬
dere in Asien, Afrika und Süd-Amerika. In Europa oder
Nord-Amerika giebt es deren nicht.
8. 334. Die meisten salzhaltigen Seen kommen in den wär¬
meren Ländern vor, und besonders in dürren Einöden. Die Aus¬
dünstung ist im Sommer oft so stark, daß die ganze Oberfläche
mit einer Salzkruste überzogen ist. Beim Inderskoi in der
sibirischen Steppe ist dieselbe so dick, daß ein Mensch ohne alle
Gefahr darauf herumgehen kann. Das Wasser des Kaspi-Sees
hat einen beinahe eben so starken Salzgehalt als das des Oceans.
§. 335. Manche Binnenbecken enthalten Natron oder Soda,
und sind zum Theil daran sehr ergiebig, wie die bekannten sechs
Natronseen, westlich vom Nil; auch in Ungern, Mexico und
Neu-Granada liegen dergleichen. In Thibet liegt ein See, der
Borax oder Berg grün ansetzt, das im Handel gesucht und
zum Metalllöthen gebraucht wird.