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zu, was jene ihnen vorspielten, und versuchten es dann mit Hilfe
ihrer freundlichen Lehrmeisster nachzusingen.
Das taten die einen; aber gar manche leichtsinnige, flatterhafte
Burschehen, denen die kleinste Muhe zu schwer wurde, schlugen
die Gottesgabe in den Vind, hatten nur wenig acht darauf, flogen
weg, wenn's ihnen zu lange dauerte; ja freilich, wenn das nur so
im Schlaf ihnen gekommen waäre! Andere hatten wohl auch von
Natur wenig Gabe zum Singen, und noch andere, denen der liebe
Gott ein schönes Außere gegeben hatte, waren in ihrem Hochmut
darauf so töricht, daß sie meinten, auch von den Engeln selbst gar
nichts mehr lernen zu können.
Nun ja, die alle haben, wie ganz natürlich, nur wenig oder
gar nichts behalten und krächzen darum heutzutage noch, wie du's
am Pfau hören kannst, daß es ein Spott und eine Schande ist. Viele
andere sjedoch, die zwar ein unscheinbares Aubere, aber ein frommes,
bescheidenes Gemut und Sinn und Liebe für den schönen Gesang
hatten, die horchten wohl auf, sangen's nach, was die Engel ihnen
gpielten, übten sich fleibig und hielten's in Ehren als das Herrlichste,
was ihnen Gott zur eigenen Freude, wie zur Erquickung der Men
schen hatte werden lassen.
So ein lieber, bescheidener Vogel war damals die Nachtigall,
und daher hat sie auch heute noch ihre schmelzenden, wundersamen
Melodien und Liederr Denn was ein jeder Vogel damals gelernt
und sich eingeprägt hat, das ist so wieder auf seine Nachkommen
uübergegangen und hat sich vererbt von Kind zu Kind.“
Als der gelehrte Vogel seine lange Auskunft beendet hatte, bog
er sich ein wenig ermudet auf dem Zweige zurück und hob das
Bein wie zum Grube in die Höhe, worauf ich mich schönstens be
dankte und ihm Lebewohl sagte
So ist's wirklich; denn woher sollte auch sonst die Nachtigall
den herrlichen Gesang gelernt haben? — MWer's mir aber nicht
glauben will. der gehe nur selber, wie ich's getan habe, an einem
schönen Fruhlingsmorgen dureh den Wald; und wenn der alte Vogel
inzwischen nicht gestorben ist, der wird's ihm schon sagen!
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