Full text: Darstellung der allgemeinen Verhältnisse und Erscheinungen der Völkerkunde (I)

Kap. 1. Vorläufige Betrachtungen. 91 
sichtigung des historischen Moments, zu schildern", hat es 
der Geograph nur mit der Auffassung der neben einander 
— im Raume — daseyenden, nicht der »rach einander 
— tu der Zeit — gewordenen Eigenthümlichkeiten der 
Völker zu thun. — 
Er betrachtet deshalb die vorhandenen Nationalitäten 
zunächst nur als geographische Erscheinungen, nur als eben 
so viele individuelle Hauptgepräge der menschlichen Natur, als 
Individualitäten höherer Einheit, die sich zur ganzen Mensch¬ 
heit eben so verhalten, wie die einzelnen Individualitäten $u 
dem Volke, dem sie angehören. Und so wie Werth und Be¬ 
deutung dieser letzteren für die nationelle Gemeinschaft in ei¬ 
ner anderen Betrachtungsweise ermessen werden mögen: ebenso 
faßt der Geograph die nationellen Individualitäten in ihrer 
Bedeutung für das universelle Gemeinwesen der ganzen Mensch¬ 
heit auf, indem er zu bestimmeu sucht, in welchem Grade sie 
die Idee desselben begriffen haben und in ihrer Eigenthüm¬ 
lichkeit wiederspiegeln. Er betrachtet daher in diesem Sinne 
nicht sowohl das Entwickelungs-Gesetz, nach welchem, als 
vielmehr die Entwickelungs-Stufe, auf welcher sich jede 
Nationalität ausspricht. 
Indem sich nun hieraus ihr Verhältniß zur Natur und 
zum Leben anderer Völker und ebenso der bedingende Einfluß 
ergibt, den sie auf jene, wie auf diese, ausübt und, umge- 
kehrt, durch sie erfährt: so gewinnt die Erdkunde sodann eine 
zweite, wiewohl mit der eben beregteu eng verwachsene Auf¬ 
fassungsweise für die verschiedenen nationellen Individualitä- 
ten. Denn die genannten Einflüsse der Natur und der Mit¬ 
menschen und Mitvölker sind eben als Hauptbcstimmungs- 
gründe für die Ausprägung der National-Eigenthümlichkeiten 
anzusehen. Und hier geht die geographische Betrachtung über 
die Auffassung der thatsächlichen Erscheinungen hinaus; sie 
beschränkt sich nicht darauf, allgcmeinhin zu sagen, daß sich, 
sondern vielmehr, wie sich die verschiedenen nationellen In¬ 
dividualitäten, gleich den einzelnen, an und durch einander 
entwickeln, und durch alle die in jedem Einzelnen, wie in 
der Gesammtheit, liegenden Elemente bedingte Form modifi-
	        
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