260 Abschn. 3. Von den auf d. Entwickel. d. Menschh. einwirk, inneren Urs.
welche die schamanischen Völker charakterisirt *). — Bei an«
deren Stämmen äußert sich das religiöse Gefühl auf eine
edlere Weise, in dem Glauben an den „großen Geist", den
Schöpfer und Erhalter aller Dinge, an Unsterblichkeit und
Vergeltung nach dem Tode, wenngleich der Dienst, den sie
dem ersten weihen, wesentlich beeinträchtigt wird, durch den
gleichzeitigen Glauben an böse Geister und Zauberer, und
wenngleich sie die Fortdauer nach dem Tode nur als eine glück¬
liche Fortsetzung des irdischen Lebens zu denken vermögen. —
Dieser Glaube an einen einigen Gott, einen großen Geist,
welcher iiber allen: Irdischen allmächtig waltet, welcher auch
in dem alten mexikanischen Götzendienste als Teotl, als der,
welcher Alles in sich selbst ist, durch den alles Lebendige ath¬
met**), gedacht wurde, — geht übrigens, bald deutlicher,
bald dunkler, durch die Vorstellungsweise aller oder doch der
meisten amerikanischen Völkerschaften, von deren religiösen
Meinungen wir Nachricht haben. — Aber ihm fehlt der le¬
bendige Einfluß ans die Gestaltung des äußeren Lebens, weil
hier nicht selten, in der Weise schamanischer Vorstellungen,
die Meinung mit unterläuft, daß der große Geist durch das
Thun itub Lassen des Einzelnen weder verherrlicht noch be¬
leidigt werden könne, und daß die feindlichen Gewalten, mit
denen Bezauberung und die Bosheit schadenfroher Dämonen
das Leben des Menschen bedrohen, weit mehr zu fürchten
seyen. Natürlich keimt aus dieser Vorstellung denn auch, wie
im Schamanenthume, die Meinung auf, daß das Werk der
Beschwörung für viel ersprießlicher und segenreicher zu hal¬
ten sey, als der Dienst des Höchsten, der um seiner selbst
willen verchrt und durch Ausübung des Guten und Vermei¬
dung des Bösen verherrlicht wird. — Auf diese Weise mag
es nicht befremden, wenn auch die sittliche Idee von Recht
und Unrecht nirgend zur klaren Anschauung gebracht, nirgend
bis zur hellen Deutlichkeit entwickelt worden ist, wenn die
*) Vgl. darüber Cranz, Geschichte von Grönland, Abschn. V u. VI.
**) Clavigero, Geschichte von Mexiko S. 342, bei C. v. Rau¬
mer, Lehrbuch der allg. Geographie S. 460.