38 
Geschichte der Griechen. 
In Athen wurde er freundlich aufgenommen und von Ägeus zum Mahle 
geladeu. Unerkannt fetzte er sich zu Tische, zog sein Schwert und tat, als ob er das 
vorgelegte Fleisch damit zerschneiden wolle. Kaum hatte Ägeus die Waffe erblickt, 
so stürzte er auf den Jüngling zu und schloß ihn als seinen Sohn in seine Arme'.^ 
3. Theseus erlegt den Minotaur. Auf der Insel Kreta herrschte König 
Min os. Sein Sohn war ihm auf der Reise durch Attila erschlagen worden. 
In einem Rachekriege hatte Minos die Athener gezwungen, zur Sühne des 
Verbrechens alle neun Jahre sieben Jünglinge und ebenso viele Jungfrauen als 
Tribut nach Kreta zu schicken. Dort wurden sie im Labyrinth eingeschlossen, 
einem großen Gebäude, das aus lauter Jrrgängen bestand, in denen sich niemand 
zurechtfinden konnte. Ein Ungeheuer, halb Stier, halb Mensch, das man 
Minotaurus nannte, hauste darin, und wenn es einem der armen Gefangenen 
begegnete, so tötete es ihn. Bisher war noch keiner aus dem Labyrinth wieder 
heimgekehrt. — Die Opfer wurden jedesmal durch das Los bestimmt und fuhren 
dann aus einem Schiff mit schwarzen Segeln von dannen. Diesmal erbot sich 
Theseus, -freiwillig mitzugehen, in der sicheren Hoffnung, daß er den Minotaur 
werde bezwingen können. Mit schwarzen Segeln stach das Schiff in See; doch 
hatte der Steuermann von Ägeus ein weißes Segel erhalten, das sollte er 
ausspannen, wenn sein Sohn nnd die andern alle lebend heimkehrten. 
Nach glücklicher Überfahrt führte Theseus seine kleine Schar an den 
Hos des Minos. Hier sah ihn Ariadne, die Tochter des Königs, und ent- 
brannte in inniger Liebe zu dem schönen Heldenjüngling. Heimlich gab sie 
ihm ein Knäuel Garn und riet ihm, das Ende des Fadens am Eingange des 
Labyrinths festzuknüpfen und das Garn im Weiterschreiten ablaufen zu lassen, 
dann könne er den Weg sicher zurückfinden. Daraus reichte sie ihm ein Schwert, 
das unfehlbar den Sieg verlieh. So ausgerüstet, betrat Theseus guten Mutes 
mit fernen Gefährten das Labyrinth. Er knüpfte den Faden fest, und dauu 
drangen sie tiefer in die Jrrgänge ein. Wütend kam ihnen das Ungeheuer 
entgegen, aber mit der Zauberwaffe schlug der Held ihm die Todeswunde. 
Mit Hilse des Fadens fanden sie bald den Eingang wieder und eilten zu ihrem 
öchiff. Auch Ariadne, die den geliebten Mann nicht verlieren wollte, schloß sich 
ihnen an. Ein günstiger Wind schwellte die Segel und trieb sie nordwärts. Aus der 
Insel Naxos landeten sie, um sich einige Ruhe zu gönnen. In der Nacht erschien 
der Gott Diouysus dem Theseus uud befahl ihm, die Jungfrau auf der Insel 
zurückzulassen, da er selber sie zur Gemahlin erkoren habe. Betrübten Herzens 
gehorchte Theseus und bestieg mit feinen Gefährten das Schiff, während Ariadne 
noch im tiefen Schlafe lag. Sie mußte dann dem Gotte als Gemahlin folgen. 
Unterdessen flog das Schiff der griechischen Küste entgegen; aber vor lauter 
Traurigkeit dachte weder Theseus noch der Steuermann daran, weiße Segel zu setzen. 
Ägeus hatte schon tagelang sehnsüchtig ausgeschaut. Als das Schiff so nahe gekommen 
war, daß er die Abzeichen der Trauer erkennen konnte, glaubte er, sein geliebter 
Sohn sei umgekommen. Verzweiflungsvoll stürzte er sich vom Uferrande ins 
Meer hinab und ward sofort von den Wogen verschlungen („Ägäisches" Meer). 
Froh stieg der Held mit den geretteten Gefährten ans Land; aber wie 
erschrak er, als er die Botschaft von dem Tode feines Vaters vernahm! Von 
Schmerz überwältigt, sank er zu Boden: war er doch selbst nicht unschuldig an dem
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.