fullscreen: Zweites Lesebuch für die Oberstufe (Teil 6, [Schülerband])

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H. Von unsern Dichtern. 
ältere Schwester, die er besonders liebte. Folgsamkeit, sittlicher Zartsinn 
Nachsicht gegen Geschwister und Gespielen zeichneten schon den Knaben aus 
Den mächtigsten Einfluß auf Gemüt und Geist übte bei ihm die Muttetn 
An Sonntagnachmittagen pflegte sie ihren beiden Kindern das kirchlich 
Evangelium des Tages auszulegen; einst, am Ostermontage, rührte sie durh 
die Erzählung von Christus und den beiden nach Emmaus wandernden 
Jüngern die beiden Geschwister zu heißen Thränen. Oft unterhielt sie di 
Kinder auch mit Zaubermären und Feengeschichten; später, als es die 
Fassungsgabe des Knaben erlaubte, führte sie ihn in die Werke der deutschen 
Dichtkunst ein. 
Durch Übersiedlung des Vaters nach Dorf und Kloster Lorch wurde 
der Knabe im sechsten Jahre aus dem lachenden Neckarthale in die ernsle 
Stille eines von Nadelhölzern umgebenen Wiesengrundes versetzt. 
In dieser Einsamkeit, an der das Herz des Dichters noch in spätern 
Jahren hing, wurde jetzt Schillers Erziehung dem Ortspfarrer Moser, einem 
wackern Manne, anvertraut. Von ihm erhielt der kleine Fritz den ersten 
Unterricht in der lateinischen und griechischen Sprache. Mit dem Sohne 
dieses würdigen Geistlichen, Karl Moser, schloß der Knabe die erste 
Jugendfreundschaft. 
Von der Entwickelung seines Geistes und Herzens wird schon aus dieser 
Zeit nur Gutes gemeldet. Er ging gern zur Kirche und Schule; war doch 
sein sehnlichster Wunsch der, einmal Geistlicher zu werden. Schon frühzeitig 
zeigte sich sein gutes Gemüt und seine Menschenliebe, und mit grenzenloser 
Freigebigkeit verschenkte er an Arme, was er besaß. Versunken in Natur⸗ 
genuß, stand einst der achtjährige Knabe mit seinem Jugendfreunde im 
Walde und rief: „O Karl, wie schön ist es hier! Alles, alles, was ich 
habe, könnte ich hingeben; nur diese Freude möchte ich nicht missen!“ Er 
wurde beim Wort genommen. Unter der Last eines Reisigbündels schlich 
ein Kind in Lumpen durch den Wald. „Das arme Kind!“ rief der kleine 
Schiller voll Mitleid, kehrte seine Taschen um und gab, was er hatte, zehn 
Kreuzer und eine alte, silberne Schaumünze, ein Geburtstagsgeschenk seines 
Vaters, von dem er sich recht ungern trennen mochte. Ein andermal stellte 
er sich dem Vater ohne Schnallen an den Schuhen dal nd gestand, daß 
er dieselben einem armen Jungen zum Sonntagsschmucke gegeben, er selbst 
habe ja noch seine Sonntagsschnallen. Und an Kameraden verschenkte er 
nicht nur Dinge, über die er frei verfügen konnte, sondern, wenn ihre 
Armut sein Mitleiden recht rege machte, Bücher, ja Kleidungsstücke, so daß 
der Vater selbst mit fühlbaren Züchtigungen einschreiten mußte. Im 
übrigen waren Gehorsam und Folgsamkeit Grundzüge seines Charakters. 
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