Vorder-Jndien.
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sehen lässt, und sein Volk als um seinetwillen geschaffen betrachtet.
Das Bambusrohr ist das Universalmittel gegen alle vermeintliche
und wirkliche Vergehungen. Die Residenz des Kaisers ist
Hue, dessen Lage die Reisenden als sehr reizend schildern. Ner
den ihr fließt ein breit;»- Strom hin; auf den Seiten des Thals
sind hohe und steile Bergreihen, Kokospalmen, Bananen, Zuckerrohr-
pflanzungen und Hecken von Bambus, deren prächtige Wipfel in
die Lüfte wehen. Rings umher liegen viele und hübsche Dörfer, der
ren Nettigkeit, verbunden mit der lebhaften, zufriedenen Natur der
Einwohner, dem Ganzen ein Ansehn von Heiterkeit giebt. Die
Stadt selbst besteht aus einem großen Viereck, das über eine Meile
im Umfange hat, und mit hohen und starken Festungswerken umge¬
ben ist. Inwendig sind die Straßen breit und regelmäßig, aber ver¬
gebens sucht man ordentliche Häuser. Der größte Theil des Bo¬
dens besteht aus Gärten, vor denen elende Hütten stehen, so daß
die Nähe des Hofes die Einwohner eben nicht zu beglücken und zu
bereichern scheint. Der Pallast des Kaisers kann vor den Baracken,
die ihn überall umgeben, kaum gesehen werden. Sonderbar neh¬
men sich hier die Soldaten aus, die, statt daß unsre Soldaten bunte
Aufschläge tragen, an ihren Kleidern verschiedenfarbige Aermel ha¬
ben, z. B. blaue Kleider mit rothen Aermeln. Den Kaiser selbst
zu sehen, gelang den Reisenden nicht, weil sein Stolz nur solche
Europäer anzunehmen erlaubt, die ein andrer König ihm zuschickt.
2. Das Reich Siam.
Das Land ist wenig bekannt, weil die mißtrauische Regie¬
rung den Europäern das freie Reisen im Lande nicht erlaubt.
Kein Mensch würde hier glauben, daß man aus Wißbegier eine
Reise unternähme, und jeder Reisende würde daher für einen
Kundschafter gehalten werden. Der Menam bewässert das Land
und überschwemmt die benachbarte Gegend, was für den Anbau
des Reißes sehr nützlich ist. Die Einwohner haben im Ganzen
mit den Einwohnern von Anam viel Ähnlichkeit. Sie find
mehr klein als groß, sehr untersetzt, und haben eine sonderbare
Form des Gesichts mit mongolischen Zügen. Ihr Gesicht ist
sehr groß, ganz rund, und die Haare wachsen weit ins Gesicht
hinein bis fast an die Augen. Dabei haben sie einen ganz dün¬
nen Bart, eine kleine Nase, und schiefliegende Augen. Die Ba¬
ckenknochen stehen weit vor. So wie wir die Zahne weiß zu
erhalten suchen, so gehören schwarze Zähne zur Schönheit eines
siamischen Mundes. Sie färben sie sorgfältig, und geben ihren
Lippen durch das beständige Kauen einer aus Betelblättern und
Arekanüffen bestehenden Masse eine hochrothe Farbe, was bei dem
großen Munde und den breiten Lippen ein widerliches Ansehen
giebt. Im Allgemeinen gehen die Siamesen mit nacktem Ober-
leibe. Da ihre Farbe gelb ist, so suchen sie dieselbe durch Ein-