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Süd-Europa.
aus, und der auf dem gegenüberliegenden Hügel stehende einsame Turm,
der mir so interessant erschien, daß ich beschloß, durch das Thal der
Gärten mir einen Weg zu ihm aufzusuchen. Ein angenehmer Fuß-
steig war bald gefuudeu, der mich zuerst durch üppige. Anpflanzungen
und dann, deu steilen, buschigen Abhaug empor, durch eine wilde
Schlucht, und weiter über Stoppelfelder zu dem gewünschten Ziele
führte. Ich unterhielt mich lange damit, die in Spanien sehr häufigen
Eidechsen zu beobachten, die mit unglaublicher Beweglichkeit an den
Mauern uud über die Felsen hingleiten, und von denen manche bis
zu einem Meter lang sind. Es sind ganz unschädliche, allerliebste
Tiere, grün uud gelb prachtvoll gezeichuet, mit einem klugen Kopf und
äußerst uiedlicheu Augen, aber so schen und schnell, daß sie bei der
geringsten Bewegung, die man macht, wie der Blitz in ihre Löcher
verschwinden. Der merkwürdige, maurische Turm war eine Ruine, nur
von Eulen und Fledermäusen bewohnt. Die Aussicht von dieser Höhe
ist prachtvoll, sowohl auf die Stadt, die man hier vollständig über-
sehen kann, als auf die weite, von Hügeln und Schluchten durchfurchte
Ebene, aus der hohe Gebirge au alleu Richtungen des Horizontes
emportauchen.
Die kolossale Mauer der Sierra Nevada, deren Schneefelder von
den letzten Strahlen des Tages vergoldet wurden, bildete den majestätischen
Hintergrund. Über alles war ein rosiges Dämmerlicht ausgegossen,
das die letzten Reflexe der untergehenden Sonue noch eine Zeitlang
über dem Thale erhielten.
6.
Alhambra und Generalife.
— K. r>o« "gSeauCicu —
Wir waren in Granada. Zwei Hügel erheben sich innerhalb
der Stadt, die Alhambra und der Albaicin, dieser ist jetzt der Wohn-
ort der Schmuggler und Zigeuner, auf jener befindet sich das Mauren-
schloß, welches wir im eugeren Sinne Alhambra nennen. Der lang
hingestreckte Hügel der Alhambra ist treffend mit einem Flügel ver-
glichen worden, seine beiden Spitzen liegen nach Südost und Nord-
West. Die Nordseite des Felsens wird scharf abfallend vom wilden
Darro bespült; im Nordost bildet den Abschluß des Berges das
Lustschloß Generalife, über dem ein steiler Felskegel aufragt. Im