Das russische Amerika.
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schnitt kleine Muscheln. Auch durchbohren sich die Menschen
wohl die Nasenknorpel, und schmücken sie mit Federkielen und
Baumrinde. Allgemein ist der Gebrauch, sich das Gesicht mit
rothem Ocher zu bemalen, und trauern sie, so nehmen sie
schwarze Farbe. Sie leben von Fischen, nebenbei von der Jagd.
Unter den Indianern sind die Kaluschen die Hauptna¬
tion. So schön gewachsen, wie die indianischen Stamme auf
der Ostseite von Nordamerika, sind diese Leute nicht. Sie sind
von mittler Größe und starkem Körperbau, haben schwarze Haare
und eine schmutzige Farbe, die durch Erde und Kohlen, mit de¬
nen sie sich beschmieren, noch schmutziger wird, große feurige
Augen, kleine plattgedrückte Nasen, breite Backenknochen und
grobe Gesichtszüge. Gewöhnlich gehen sie fast ganz nackt; selbst
im Winter sieht man sie oft nackt über das Eis gehen, und sich
bei einer Kälte von 8 Graden baden. Ist es aber sehr kalt, oder
wollen sie sich recht putzen, so tragen sie Kleider, die aus einem
breiten Stücke Zeug bestehen, das sie um den Leib schlagen und
an den Schultern befestigen. Die Weiber haben den sonderbar¬
sten, abenteuerlichsten und, und man kann sagen, widernatür¬
lichsten Begriff von Verschönerung. Wir sagten eben, daß die
nördlich wohnenden Eskimo's sich die Unterlippe parallel mit dem
Munde aufschlitzten, und in dieser Oeffnung einen Zierrath von
Glaskorallen oder Muschelschaalen anbrächten; bei den Weibern
der Kaluschen ist dies nicht genug. Wenn das Mädchen 13—14
Jahr alt ist, so wird eine kleine Oeffnung unmittelbar in der
Mitte, dicht unter der Unterlippe, gemacht, und anfangs ein
dicker Drath, dann ein hölzerner Knopf in dieselbe gebracht. Diese
Oeffnung wird nun allmälig nach mehreren Monaten und Jah¬
ren immer größer geschlitzt, und die Unterlippe durch ein in die¬
selbe angebrachtes ovales Brettchen oder Schüsselchen immer wei¬
ter ausgedehnt, wodurch jede Frau das Ansehen bekommt, als
wenn ein großer, flacher, hölzerner Suppenlöffel in das Fleisch
der Unterlippe eingewachsen wäre. Je größer dieser Lippenzier¬
rath ist, desto vornehmer, desto schöner dünkt sich die Frau. Es
giebt deren, die ein solches Brettchen von 5 Zoll Länge und 3
Zoll Breite haben. Ein amerikanischer Capitain versicherte, er
habe die bejahrte Frau eines Oberhauptes gesehen, deren Lippen¬
löffel so groß war, daß sie mit demselben beinahe das ganze Ge¬
sicht bedecken konnte. Die Kaluschen haben ihren Hauptsitz auf
einem am Meere gelegenen Felsen, wo sie eine Art von Festung er¬
richtet haben. Ein Reisender erzählt, sie hätten, als er in dieser
Gegend gelandet sey, ihm ans Land geholfen, und seine Sachen
nach der Festung getragen, ohne daß ihm das Geringste wäre
entwendet worden. Ein Oberhaupt nahm ihn und seine Begleiter
sehr gut auf, und wies ihnen in seiner Bretterhütte dicht neben