Das russische Amerika. 
351 
schnitt kleine Muscheln. Auch durchbohren sich die Menschen 
wohl die Nasenknorpel, und schmücken sie mit Federkielen und 
Baumrinde. Allgemein ist der Gebrauch, sich das Gesicht mit 
rothem Ocher zu bemalen, und trauern sie, so nehmen sie 
schwarze Farbe. Sie leben von Fischen, nebenbei von der Jagd. 
Unter den Indianern sind die Kaluschen die Hauptna¬ 
tion. So schön gewachsen, wie die indianischen Stamme auf 
der Ostseite von Nordamerika, sind diese Leute nicht. Sie sind 
von mittler Größe und starkem Körperbau, haben schwarze Haare 
und eine schmutzige Farbe, die durch Erde und Kohlen, mit de¬ 
nen sie sich beschmieren, noch schmutziger wird, große feurige 
Augen, kleine plattgedrückte Nasen, breite Backenknochen und 
grobe Gesichtszüge. Gewöhnlich gehen sie fast ganz nackt; selbst 
im Winter sieht man sie oft nackt über das Eis gehen, und sich 
bei einer Kälte von 8 Graden baden. Ist es aber sehr kalt, oder 
wollen sie sich recht putzen, so tragen sie Kleider, die aus einem 
breiten Stücke Zeug bestehen, das sie um den Leib schlagen und 
an den Schultern befestigen. Die Weiber haben den sonderbar¬ 
sten, abenteuerlichsten und, und man kann sagen, widernatür¬ 
lichsten Begriff von Verschönerung. Wir sagten eben, daß die 
nördlich wohnenden Eskimo's sich die Unterlippe parallel mit dem 
Munde aufschlitzten, und in dieser Oeffnung einen Zierrath von 
Glaskorallen oder Muschelschaalen anbrächten; bei den Weibern 
der Kaluschen ist dies nicht genug. Wenn das Mädchen 13—14 
Jahr alt ist, so wird eine kleine Oeffnung unmittelbar in der 
Mitte, dicht unter der Unterlippe, gemacht, und anfangs ein 
dicker Drath, dann ein hölzerner Knopf in dieselbe gebracht. Diese 
Oeffnung wird nun allmälig nach mehreren Monaten und Jah¬ 
ren immer größer geschlitzt, und die Unterlippe durch ein in die¬ 
selbe angebrachtes ovales Brettchen oder Schüsselchen immer wei¬ 
ter ausgedehnt, wodurch jede Frau das Ansehen bekommt, als 
wenn ein großer, flacher, hölzerner Suppenlöffel in das Fleisch 
der Unterlippe eingewachsen wäre. Je größer dieser Lippenzier¬ 
rath ist, desto vornehmer, desto schöner dünkt sich die Frau. Es 
giebt deren, die ein solches Brettchen von 5 Zoll Länge und 3 
Zoll Breite haben. Ein amerikanischer Capitain versicherte, er 
habe die bejahrte Frau eines Oberhauptes gesehen, deren Lippen¬ 
löffel so groß war, daß sie mit demselben beinahe das ganze Ge¬ 
sicht bedecken konnte. Die Kaluschen haben ihren Hauptsitz auf 
einem am Meere gelegenen Felsen, wo sie eine Art von Festung er¬ 
richtet haben. Ein Reisender erzählt, sie hätten, als er in dieser 
Gegend gelandet sey, ihm ans Land geholfen, und seine Sachen 
nach der Festung getragen, ohne daß ihm das Geringste wäre 
entwendet worden. Ein Oberhaupt nahm ihn und seine Begleiter 
sehr gut auf, und wies ihnen in seiner Bretterhütte dicht neben
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.