Object: Die Ausgestaltung der europäischen Kultur und deren Verbreitung über den Erdball (Hauptteil 3)

44 Die Zeit Friedrichs des Großen. 
Die Folgen der Aufklärung. Die teilweise sehr weit gehenden Forderungen 
der Aufklärungsliteratur wurden keineswegs alle erfüllt. Besonders die Fürsten 
und Staatsmänner, die Anhänger der neuen Ideen waren, hielten, abgesehen von 
England, meist am Absolutismus fest und stellten den Grundsatz auf: „Alles f ü r 
das Volk, nichts durch das Volk". Trotzdem brachte die Aufklärung manche 
Umwälzung mit sich. So wurde z. B. eine größere Freiheit des Denkens und Glau-1 
dens gewährt. Der Aberglaube (Hexenwahn, Alchimie, Astrologie u. dgl.) nahm ab. 
Unter dem Einflüsse der Ansichten Rousseaus erfolgte eine Reform der Erziehung, 
die den Unterricht möglichst anschaulich machen, die gesamten Kräfte des Menschen, 
also auch die körperlichen, ausbilden und die Schüler zur Selbsttätigkeit, Hand- 
11790 fertigleit usw. anleiten wollte. Der Hamburger Basedow suchte diese neuen 
1 1827 Ideen irrt Dessauer Philanthropin (Musterschule), der Schweizer Pestalozzi in 
11811 Zürich, Salzmann in Schnepfenthal zu verwirklichen. Bei den Gebildeten 
führte das Verlangen nach Ursprünglichkeit wieder zu den Griechen zurück (Neu¬ 
humanismus) und in Deutschland entwickelte sich eine neue Blüte der Literatur. 
Eine Begleiterscheinung der Aufklärung, selbst in katholischen Ländern, war 
eine gewisse Feindseligkeit gegen die Jesuiten, denen man besondere Abneigung 
gegen die neuen Ideen, vor allem gegen die religiöse Toleranz zuschrieb. Deshalb 
erfolgte, namentlich aus das Drängen der bourbonischen Höse, die Aufhebung des 
1 1773 Jesuitenordens durch Papst Klemens XIV. (vgl. Zweit. Band S. 162). 
Auf wirtschaftlichem Gebiete machten sich die Schlagworte „Freiheit" und 
t 1774 „Rückkehr zur Natur" gleichfalls geltend. Der Leibarzt Ludwigs XV., Quesnay, 
lehrte im Gegensatze zum Merkantilismus, daß der A ck e r b a u die Hauptquelle 
des Volkswohlstandes sei, weil er der Natur am nächsten stehe und deren Gaben 
unmittelbar empfange; Gewerbe und Handel wandeln die Naturgaben nur um 
oder bringen sie in den Verkehr. Deshalb verlangte der Phhsiokratismns, der auch 
hier die „Natur" zur „Herrschaft" bringen wollte, Befreiung des GrunTund Bo¬ 
dens von allen Lasten, außerdem volle Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung 
1 1790 („laissez faire, laissez passer“). — Der schottische Professor Adam Smith er¬ 
blickte den einzigen Born des Nationalreichtums ganz allgemein in der „A r b e i t" 
(industry), für die er möglichste Arbeitsteilung empfahl; im übrigen wünschte 
der Industrialismus ebenfalls freien Wettbewerb u. dgl. Smiths Lehren wurden 
im 19. Jahrh, besonders in M a n ch e st e r weitergebildet; daher die Bezeichnung 
„MaIchLstertum" für jene Richtung, die volle Gewerbefreiheit und unbedingten 
Freihandel forderte. 
2. Tie innere Regierung Friedrichs d. Gr. Nach dem Hubertus¬ 
burger Frieden suchte der „Alte Fritz" zunächst die schweren Wunden zu 
heilen, die der Krieg seinem Lande geschlagen hatte; dann fuhr er in seiner 
Reformtätigkeit fort. Dabei ließ sich Friedrich von den Aufklärungsideen 
wohl beeinflussen, aber nicht beherrschen und suchte nur das zu verwirk¬ 
lichen, wofür ihm Staat und Volk als reif erschienen. So wahrte er den 
Zusammenhang mit den geschichtlich gewordenen Zuständen. Als König 
regierte Friedrich ebenso selbstherrlich wie Ludwig XIV., jedoch zum Wohl 
des Staates, dem er gewissenhaft alle seine Kräfte widmete. So bildete 
dieser Fürst mit seiner nie versiegenden Arbeitsfreudigkeit, seinem Ver¬ 
antwortlichkeitsgefühl, seiner glücklichen Verbindung von Energie und Be-
	        
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