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Lebensbilder aus der vaterländischen Geschichte
einverleibt. Alle nördlich vom Main gelegenen Staaten vereinigten sich
unter Preußens Führung zum Norddeutschen Bunde. Außerdem wurde
ein Schutz- und Trutzbündnis mit den süddeutschen Staaten geschlossen,
durch das diese sich verpflichteten, im Salle eines Krieges ihre Truppen
unter den Oberbefehl des Königs von Preußen zu stellen. Damit war der
erste Schritt zur Einigung Deutschlands getan, bald sollte die Verbindung
der deutschen Staaten noch inniger werden. Da dieser Friede keine
Demütigung für Österreich in sich schloß, wurde es möglich, daß sich der
alte Feind Preußens in einen treuen und zuverlässigen Freund verwandelte.
6ber die Erfolge Preußens ließen den Franzosen, den alten Erbfeinden
mWgung nnb Nebenbuhlern des deutschen Volkes, keine Ruhe. Mit neidischen Blicken
Preußens sahen sie auf Preußens wachsende Macht und empfanden die Schlacht bei
Kömggrätz als eigene Niederlage. Immer lauter ertönte der wilde Ruf:
„Rache für Sadowa!" IT^cm sann auf eine Demütigung Preußens und ver¬
langte das linkeRheinuferfürZrankreich. Der französische Kaiser ZTopoIeon III.
mußte diesem Volkswillen nachgeben, wenn er seinen Thron nicht gefährden
wollte, und so suchte er nach einer Gelegenheit zum Kriege. Diese fand
sich bald. Die Spanier hatten ihre Königin vertrieben und die Krone ihres
Landes dem Prinzen Leopold von Hohenzollern, einem entfernten ver¬
wandten des Königs von Preußen, angeboten. Als der Prinz feine Bereit¬
willigkeit zu erkennen gab, regte sich die Eifersucht der Franzosen. Der
Kaiser erklärte, Frankreich könne es nicht dulden, daß ein Prinz von
hohenzollern den spanischen Königsthron besteige. Da verzichtete der
Prinz, um Deutschland nicht in einen Krieg zu verwickeln, und die Sache
schien erledigt. Aber das war den Franzosen nicht genug; der französische
Gesandte Benedetti wurde beauftragt, vom König Wilhelm die bestimmte
Versicherung zu verlangen, daß er nie seine Einwilligung dazu geben werde,
daß ein Prinz von hohenzollem den spanischen Königsthron besteige.
Der König, der sich gerade zur Brunnenkur in Ems aufhielt, wies dieses
Ansinnen ruhig und würdig zurück und lehnte jede weitere Erörterung
in der Angelegenheit ab. Das französische Volk sah darin eine Verletzung
seiner Ehre und erklärte in wilder Kriegslust, die angetane Schmach könne
nur mit Blut abgewaschen werden. Eindruckslos verhallten die Stimmen
der wenigen Besonnenen, dafür wurden die leichtfertigen Worte des
französischen Ministerpräsidenten „tDir übernehmen den Krieg leichten
Herzens" mit Jubel aufgenommen, und so erfolgte am 19. Juli 1870
die Kriegserklärung an Preußen.
©er deutsch- Das deutsche Volk, durch diese frevelhafte Herausforderung von Zorn
Krieg und Entrüstung erfüllt, folgte mit Begeisterung dem Rufe des Königs
zu den lvaffen. Wieder brach der Sturm los, das Volk stand auf, doch
nicht wie im 3ahre 1813 Preußen allein, sondern das gesamte deutsche
Volk. Am 19. Juli, dem Todestage seiner unvergeßlichen Mutter, erneuerte
König Wilhelm, der unter dem Jubel der Bevölkerung von Ems nach