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Ein alter siebzigjähriger Feldherr hatte in diesem Kriege schon zwei
Söhne verloren, und der dritte machte sich bei Alexander so verhaßt,
daß er ihn als Teilnehmer einer Verschwörung hinrichten ließ. Aus
Furcht aber, der alte Vater möchte darüber aufgebracht etwas gegen
ihn unternehmen, ließ Alexander auch ihn durch heimlich abgesandte
Meuchelmörder niederstoßen. — Einst bei einem Schmause, wo alle
schon vom Wein erhitzt waren, erhoben Schmeichler die Thaten des
Alexander über die glänzendsten Thaten der berühmtesten Helden der
Vorzeit. Nur Klitus, der dem Könige in der Schlacht am Hellespont
das Leben gerettet hatte, stimmte nicht ein, sondern setzte die Thaten
Philipps, des Vaters von Alexander, über die Thaten des Sohnes.
Der ruhmsüchtige Alexander ward zornig: aber um so heftiger verthei¬
digte der berauschte Klitus seinen Satz. Man brachte ihn weg, weil
man den König vor Zorn glühend aufstehen sah. Doch Klitus kam
aufs Neue in den Saal und wiederholte mit gleicher Heftigkeit seine
vorige Rede. Da gerieth Alexander, selbst berauscht, in Wuth, riß
einem Trabanten die Lanze aus der Hand und erstach den, der ihm
das Leben gerettet hatte. Wie er zur Besinnung kam, erstarrte er fast
vor Schrecken über seine That; er weinte aufs Heftigste, und drei Tage
und drei Nächte lag er ohne Trank und Speise in seinem Zelte und
rief unaufhörlich den Namen Klitus. Die Soldaten wurden unruhig,
hier in dieser weiten Entfernung vom Vaterlande von ihrem Feldherrn
verlassen zu werden; die Freunde trösteten ihn, und Schmeichler suchten
ihn zu bereden: der Tod des Klitus sei vom Schicksal beschlossen ge¬
wesen, und er dürfe sich also nicht als schuldig anklagen, da er blos
den Willen des Schicksals erfüllt habe. So kehrte er endlich zu seinem
Heere wieder. Doch hatte auch diese bittere Reue, wie sie es zu sein
schien, den übermüthigen Stolz nicht gebändigt, noch seine Heftigkeit
gezähmt. Er wollte nach wie vor als ein Gott geehrt sein und ließ
einen seiner macedonischen Feldherren, der dies verweigerte, hinrichten.
Mit geheimem Unwillen folgten ihm daher die Soldaten auf seinem
Zuge durch Persien nach Indien, zumal da ihr Weg oft durch dürre
Sandwüsten, über schroffe Felsen ging, und die Belagerung mancher
Stadt sie aufhielt. Doch sein Unternehmungsgeist beseelte sie nach und
nach wieder, und sein Muth, seine unermüdliche Thätigkeit machte die
Soldaten ihrer Beschwerden vergessen: sie folgten ihm bis jenseit des
Indus, zu einem Flusse, Hophasis. Als er aber auch jetzt noch immer
weiter wollte, da weigerten sich die Soldaten alle einmüthig; und obgleich
er zürnte, obgleich er sich mehrere Tage einschloß: sie blieben unbeweglich,
und Alexander mußte umkehren, im Jahre 326 vor Christo. ^
Hier am Flusse Indus fand Alexander eknige weise Fürsten und
eine Gesellschaft von weisen Männern, die man Braminen nannte, und
von denen uns manche kluge Antworten aufbewahrt sind. — Einer der
dortigen Könige ward aufgefordert, sich zu ergeben. Er^ erschien mit
edlem Anstande und sprach zu Alexander: Warum, o König, wollen
wir einander mit Mordgewehren versuchen, wenn du nicht gekommen
bist, uns Wasser und Korn zu nehmen? Um entbehrlicher Dinge
willen soll kein verständiger Mensch Krieg führen und tödten. Worin
ich mehr habe, von dem dir mitzutheilen bin ich gern bereit; und das,
woran es mir fehlt, schäme ich mich nicht, von dir dankbar anzunehmen.-—