Die Kreuzzüge.
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§ 53. Der erste Kreuzzug (1096—1099). Das Königreich Jerusalem.
Vorspiel. Dem Kreuzzuge der Fürsten gingen schlecht geordnete Scharen
meist von Leuten, die nichts zu verlieren hatten, unter Führung des Ein-
siedlers Peter von Amiens und des Walter von Habenichts vorauf.
Schon beim Angriff auf Nicäa in Kleinafien wurden sie vollständig ans-
gerieben.
Der erste Kreuzzug. Unter den Teilnehmern am ersten Kreuz-
zuge treten Gottfried von Bouillon, Herzog von Niederlothringen,
und sein Bruder Balduin von Flandern, Graf Hugo von Vermandois,
des Königs von Frankreich Bruder, der Herzog Robert von der Nor-
mandie, der Graf Raimund von Toulouse, Bohemund von Tarent
und sein Neffe Tankred hervor. Ihre Heere, meist aus Lothringern,
Franzosen und Normannen gebildet, vereinigten sich erst vor Konstanti-
nopel. Nachdem sie hier dem griechischen Kaiser für die zu erobernden
Länder den Lehnseid geschworen hatten, wurden sie nach Kleinasien über-
gesetzt. Unter Entbehrungen und Kämpfen erreichten sie Antiochia am
Oroutes. Antiochia fiel nach achtmonatiger Belagerung durch Verrat
an Bohemund, der hier als Fürst zurückblieb. Aber erst am 15. Juli
1099 eroberte endlich das Kreuzfahrerheer Jerusalem; Gottfried wurde
zum „Beschützer des Heiligen Grabes" gewählt; er besiegte den Sultan
von Ägypten bei Askalon.
Nach Gottfrieds Tode wurde Balduin König von Jerusalem.
Das Königreich Jerusalem. Die Kreuzfahrerstaaten umfaßten
einen schmalen Saum an der Küste von Gaza bis zum Golf von Jsken-
derun. Der Jordan bildete die Ostgrenze, zeitweilig dehnte sich das König-
reich bis zum Golf vou Akaba aus.
Die Bewohner bestanden aus griechischen Christen und den lateinisch-
christlichen Kreuzfahrern verschiedener Nationalität, ein schwer lenkbares Völker-
gemisch, dessen Mitglieder sich schließlich in der französischen Sprache ver-
ständigten. Die Mohammedaner verschwanden niemals ganz, im Libanon
erhielt sich die furchtbare Sekte der Affassinen.
In der Bevölkerung hatte zunächst das geistliche und das ritterliche
Element das Übergewicht. Da die eingewanderten Abendländer aber durch
die Wirkungen des ungewohnten Klimas und unaufhörliche Kämpfe rasch
aufgerieben wurden, brauchten sie beständig Nachschub aus der Heimat, um
sich gegen ihre Feinde zu behaupten. Es entwickelte sich darum von den
Küstenstädten aus ein lebhafter Verkehr nach den italienischen und pro-
venzalischen Häfen. Unter den Städten blühte besonders das alte Ptolemais,
Akkon, wieder auf. Hier siedelte sich der italienische Kaufmann an,
der den starken Unabhängigkeitssinn aus seiner Heimat mitbrachte. Die
Genuesen, Venezianer, Pisaner n. a. gründeten eigene Niederlassungen.
Politisch zerfielen die eroberten Gebiete in das Königreich Jernsa-
lern und die von ihm abhängigen Staaten: die Grafschaft Tripolis,
das Fürstentum Antiochia und die Grafschaft Edessa.