Full text: Geographie und Geschichte sämmtlicher Provinzen des Preußischen Staats ([Erg.])

578 
Nock einen Kuß — dann hüllte sie 
Sich weinend in den Schleier ein, 
Rief aus: „Leb wohl, o Naemi!" 
Und schlug den Pfad gen Moab ein. 
v Fort eilte sie auf siücht'gem Fuß, 
Die Mutter sah ihr seufzend nach, 
Und winkte stumm den Abschiedsgruß. 
Zur jüngern dann sie also sprach: 
„Nun geh, mein Kind, und kehr auch du 
w Nach Haus', wie deine Schwägerin; 
Es schenk' der Herr dir Glück und Ruh', 
Wenn ich von dir geschieden bin." — 
Da hob aus ihrem Schleierflor 
Die junge Ruth ihr Haupt empor; 
rs Auf ihren Zügen weich und jung, 
Lag es wie Abenddämmerung, 
Bon heil'gem Sternenglanz durchleuchtet, 
Und von kristallnem Tau befeuchtet. 
Sie sprach: „O sei mir nicht entgegen, 
ao Wenn ich nicht scheiden kann von dir, 
Ich folge dir auf allen Wegen, 
Denn alles, alles bist du mir, 
Du bist mir mehr als anverwandt, 
Bist teurer mir als Vaterland. 
Drum nimm mich an, denn ich bin dein, 
Dein Land soll auch das meine sein, 
Dein Volk mein Volk, dein Gott mein Gott, 
Israels Hort, Herr Zebaoth, 
Was er mir schickt, das will ich leiden, 
Nur aber nimmer von dir scheiden. 
Ich folge dir, wohin du gehst auf Erden, 
Und wo du stirbst, will ich begraben werden." 
Da sprach die alte Frau gerührt: 
„Der Herr ist's, der dich zu mir führt, 
Wie stieß' ich solche Lieb' zurück, 
So komm und teil' mein traurig Glück. 
Von nun an grüß' ich feierlich 
Als Tochter meines Volkes dich. 
Komm, Tochter Judas, geh voran, 
Dich ruft der Herr nach Kanaan!" 
183. Luisk Hensel. 
Geb. am 30. März 1798 zu Linum im Kreise Teltow, Tochter eines Pfarrers; zog mit ihrer 
Mutter 1810 nach Berlin, las Jakob Böhmes Schriften, lernte 1816 Klemens Brentano kennen, 
trat am 7. Dezember 1818 zur katholischen Kirche über, wirkte dann als Erzieherin bei der Witwe 
so von Fr. Leopold von Stolberg in Sondermühlen, lebte von 1823—1826 in Wiedenbrück in West¬ 
falen, war bis 1832 als Krankenpflegerin und Lehrerin in Koblenz, Boppard, Aachen und lebte 
von 1833 in Berlin, Aachen, Wiedenbrück, zuletzt in Paderborn, wo sie am 18. Dezember 1876 
gestorben ist. 
jSiehe auch: Bd. I, Nr. 328, S. 394 (Guter Rat); Nr. 335, S. 398 (Jesus in der heiligen 
»o Schrift). — Bd. H, Nr. 198, S. 392 (Zwei Lieder).) 
a. Reicher Ersatz. 
Clciipr. [herausgegeben von C. S 
1. Mir war ein Stern beschieden, 
Der schöne Stern erblich; 
»s Nun will ich nichts hienieden, 
Dort oben nichts als dich. 
2. Einst sucht' ich nah und ferne 
Ein selig Glück für mich; 
Nun lass' ich alles gerne, 
io Nun such' ich nichts als dich. 
3. Ich hatt' ein Kränzleiu wunden 
Von Blumen wonniglich; 
b. Kindesyrutz von drüben 
Lbendas 
« 1. O weine nicht! Ich bin dir nicht ge¬ 
storben, 
Ein ewig, selig Leben ging mir auf. 
O, sähst du ihn, den Kranz, den ich erworben, 
(Isiter.] paberborn ;887. 5.361. 
War bald all Zier geschwunden, 
Nun will ich nichts als dich. 
4. Wollt' einen Traum umfaffen, 
Hielt ihn so inniglich; 
Mein Traumbild tat erblasien: 
Nun halt' ich nichts als dich. 
5. Wie soll ein Herz noch lieben, 
Was ihm so falsch entwich? 
Du bist mir treu geblieben: 
Nun lieb' ich nichts als dich. 
(Sondermühlen 1823.) 
.. 5. N6. 
Es hemmte gleich sich deiner Tränen Lauf. 
Hier wohnt der Friede, leuchtet ew'geS 
Licht, 
O weine nicht!
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.