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Die Weltfriedensbewegung, Zu diesen auf das Gesamtwohl der Menschheit
abzielenden Bestrebungen gehört wohl in erster Linie die Weltfriedensbewegung,
welche die Schrecken der großen Kriege beseitigen und die ungeheuren Opfer,
welche die Aufrechthaltung des „bewaffneten Friedens‘‘ den Staaten und Völkern
Boten auferlegt, einschränken will. Im Jahre 1864 wurde die Genfer Konvention
1864. zur Milderung der Kriegführung („‚Rotes Kreuz‘“) abgeschlossen. Im Jahre 1899
Friedens- trat eine von fast sämtlichen Kulturstaaten beschickte Friedenskonferenz
im Haag jm Haag zusammen, welche die Genfer Konvention auch auf den Seekrieg
Interna- ausdehnte und die Einsetzung eines ständigen internationalen Schieds-
Honales %grichtes zur Folge hatte. Auch. wurde das Völkerrecht und insbesondere
gericht. gas Seerecht einheitlicher und humaner ausgestaltet und viele seiner Punkte haben
'etzt schon bei den meisten Kulturvölkern Geltung. Doch hat gerade England sich
den Vereinbarungen in bezug auf den Seekrieg nicht angeschlossen, ebensowenig wie
1856 bei den Verhandlungen in Paris, und hält bis auf den heutigen Tag an dem
Zeebeuterecht im Kriege, großenteils auch gegen die Neutralen, fest. Fast all-
jährlich fanden nunmehr interparlamentarische Friedenskonfierenzen statt.
Selbstverständlich kommt die Bewegung auch literarisch‘ zum Aus-
drucke und ihren Verfechtern dient Kants Schrift „Zum ewigen Frieden‘
zum Stützpunkte. Nicht unbedeutende Verdienste hat sich hierin auch eine
Österreicherin, Bertha Freiin von Suttner, erworben, so durch ihren
Roman „Die Waffen nieder!‘“. Sie wurde 1905 durch den Nobelpreis für Friedens-
bestrebungen ausgezeichnet.
_ Der „bewaffnete Friede“ und die steigenden Rüstungen der Nationen.
Gegner. Freilich haben auch die Gegner der Weltfriedensbewegung großen Anhang,
welche den Krieg als höchste Kraftanstrengung, der-zahlreiche kulturelle, soziale
und staatliche Fortschritte bedingt, für unerläßlich halten. Daraus ergaben
sich immer bedenklicher wachsende Rüstungen der meisten Kulturstaaten, Als
Grundsatz wurde dabei aufgestellt: „Si vis pacem, para bellum!“
“Willst du den Frieden, so 1üste zum Kriege!‘“) Da keine Großmacht hinter der
anderen zurückbleiben will, da aber auch mittlere Staaten mindestens ihre Ver-
teidigung gegenüber fremden Angriffen sichern wollen, so wuchsen in den letzten
de Jahren im steten Wettbewerb die Rüstungen ins Maßlose. Alle Waffengattungen
nn „erfuhren die weiteste Ausgestaltung. Neben den Fußtruppen und der Reiterei
° fand besonders die Artillerie die größte Fürsorge, die Festungen wurden immer
mehr mit Stahl- und Betonmauern, Panzerkuppeln und schwersten Mörsern ge-
sichert. Die Übungslager nahmen einen immer größeren Umfang an. Fahrräder
und Automobile traten in den Dienst der kriegerischen Rüstungen, die Häfen
füllten sich immer mehr mit Kriegsschiffen, deren Bau Millionen und Milliarden
verschlang. Die Dreadnoughts wurden durch Überdreadnoughts in den Schatten
gestellt, und da selbst ein einziges, gewaltiges Kriegsschiff, mit den größten und
weittragenden Geschützen versehen, eine ganze Flotte von kleineren Kriegsschiffen
vernichten kann, bevor diese zum Feuern kommen, so mußten immer wieder
die allergrößten Schiffstypen in Bau genommen werden und der Wettlauf der
Weltmächte schien dabei ins Endlose zu gehen. Zugleich aber wurden auch
Tauch- oder Unterseeboote gebaut, die mit ‚ihren Torpedos selbst den
gewaltigsten Kriegsschiffen Verderben bringen können, ebenso Wasserflugzeuge,
und auch die Lüfte belebten sich mit Lenkballons und ganzen Flotten von