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Viertes Kapitel: Bewegung der Erde.
wo AB den Thurm vorstellen mag, die Schwungkraft der Erde
in den beiden Punkten A und B vollkommen gleich wäre (was
jedoch nicht ganz der Fall ist, weil B weiter vom Mittelpunkte
der Erde absteht, als A), und der Thurm rücke während der
Zeit, welche der Stein braucht, um von B auf die Erde hcrab-
zufallen, wegen der Bewegung der Erde, um das Stück von A
nach 0 fort, so ist leicht einzusehen, daß der Stein, welcher
von der Schwerkraft nach A, von der Schwungkraft aber nach
I) getrieben wird, weder der Richtung der einen, noch der an¬
dern dieser beiden Kräfte allein folgen kann, sondern eine mitt¬
lere Bewegung machen muß, indem er in dem Parallelogramm
AB DO (welches das Parallelogramm der Kräfte
genannt wird) nach der Diagonale BO geht, und folglich zu
eben der Zeit nach 0 gelangt, in welcher A dahin kömmt,
d. h. mit andern Worten: der Stein fallt am Fuße des Thur-
mes nieder *). Weil jedoch die Schwungkraft in B, von wo
aus der Stein fällt, größer ist, als in A, so muß der fallende
Körper eigentlich noch Etwas über 0 hinaus auf die Erde
treffen, wie cs sich denn auch bei den sehr sorgfältig angestell-
ten Versuchen über den Fall der Körper von beträchtlichen Hö¬
hen herab vollkommen bestätigt hat **).
*) Es ist diesi der von Newton in seinem unsterblichen Werke: prin¬
cipia philosophiae naturalis mathematica — zuerst aufge-
fìellte Grundsatz von der Zerlegung der Kräfte, nach welchem,
wie die Erfahrung vollkommen bestätigt, jede der beiden auf einen
Körper zugleich wirkenden Kräfte, ganz dieselben Wirkungen hervor¬
bringt, die sie hervorgebracht haben würde, wenn die andere gar nicht
da gewesen wäre.
**) Vergl §. 16. 4). Da übrigens die Geschwindigkeit eines faltenden
Körpers in jedem Augenblicke seines Falles zunimmt, während die
durch den Umschwung der Erde ihm mügethellte Geschwindigkeit sich
fortwährend gleich bleibt, so fällt der Körper eigentlich in einer Pa¬
rabel von B nach C.