Schillmann: Siegfried erwirbt Rrienchild und wird erschlagen. 115
laufen, ihr aber könnt es ledig tun.“ Da liefen die drei, Günther, Hagen
und Siegfried ab; aber so schnell die beiden anderen auch waren, Siegfried
gelangte zuerst zur Stelle. So groß sein Durst nun auch war, er trank
doch nicht eher, als bis Günther herangekommen war und getrunken
hatte. Da erst legte er seine Waffen nieder und bückte sich über den
Quell. Diesen Augenblick hatte sich Hagen zur Mordtat ersehen. Schnell
entfernte er Siegfrieds Bogen und Schwert, ergriff den Speer, spähte
nach dem Zeichen auf dem Gewände und stieß die Spitze hinein, daß
ein roter Blutstrahl aus der Wunde hervorschoß; darauf floh er eilig
davon. So war er nie vor einem Manne gelaufen wie vor dem todes¬
wunden Helden. Als dieser zur Besinnung kam, sprang er auf und suchte
nach seinen Waffen, während die Speerstange an seiner Achsel empor¬
ragte. Als er aber picht fand, was er suchte, ergriff er seinen Schild,
rannte hinter dem Fliehenden her, erreichte ihn und hieb so gewaltig
auf den Mörder ein, daß der Wald von den Schlägen erscholl und das
edle Gestein von dem Schilde zur Erde fiel. Hagen strauchelte unter
solchen Schlägen, und ihm wäre die Stunde des Todes gekommen, hätte
Siegfried sein Schwert gehabt.
Aber nun schwand diesem die Kraft; seine Farbe verblich, er fiel
in die Blumen, und das Blut rann wie ein Strom aus der Wunde. Da
rief er: „Wehe, ihr bösen Feiglinge, übel habt ihr an euren Freunden
gehandelt, eure Schande wird euch von allen guten Rittern trennen,
eure Kinder werden noch an ihr zu tragen haben. Mich aber dauert
nichts so sehr auf Erden wie Kriemhild, mein Weib. Wollt Ihr mir,
o König, auf dieser Erde noch irgendeine Treue erzeigen, so laßt sie Euch
empfohlen sein; denn sie ist ja Eure Schwester.“ Bald nachdem er
diese Worte gesprochen hatte, hauchte er seinen Geist aus. So mußte
der edle, tapfere Held von Mörderhand sterben. Als die Mörder sahen,
daß der Held tot war, legten sie ihn auf einen Schild und berieten, was
nun geschehen sollte. Einige schlugen vor, man solle sagen, er sei von
Räubern erschlagen worden; Hagen aber rief: „Ich bringe ihn nach Hause
und frage nicht danach, ob Kriemhild weiß, wer es getan hat, da sie so
das Herz meiner Königin betrüben konnte.“
7. Wie Siegfried beklagt und begraben ward.
Der hartherzige Mann ließ den erschlagenen Siegfried vor das Schlaf¬
zimmer der Kriemhild tragen und vor ihre Tür legen. Als sich nun am
anderen Morgen die Königin zur Messe ankleidete, fand ein Kämmerer
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