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Allgemeine
unterschied der einzelnen Punkte der Oberfläche eines fließenden Wassers,
und die damit in Verbindung stehende Stromgeschwindigkeit;
die Stromentwickelung od. die Gestaltung seiner Weg-Linie und
im Gegensatz hierzu der di recte Abstand der Mündung von der
Quelle. Der Erdraum, welcher einem und demselben Flusse fließendes
Wasser zusendet, bildet das Fluß- oder Stromgebiet (auch wohl
Becken oder Bassin genannt), der Fluß selbst mit allen ihm zu¬
gehörigen Gewässern das Fluß- oder Stromsystem; benachbarte
Flußgebiete werden abgegrenzt durch die Wasserscheide, von der
die Gewässer nach verschieoenen Richtungen fließen, ohne daß sie darum
immer, wie man fälschlich gelehrt und auf Karten gezeichnet hat, eine
bedeutendere Bodenerhebung ist. Zwischen zwei nahe aneinander fließen¬
den schiffbaren Strömen kann diese Wasserscheide so niedrig sein, daß
Kähne und Waaren sich leicht von dem einen zum anderen Fluß über¬
führen lassen; dann bildet sie einen Tragplatz (poita^e). Eine
Bifurcation od. Gabelung der Gewässer entsteht, wo ein zwei¬
seitiges Fließen oder eine Verbindung zweier verschiedener Flußgebiete
in Folge von Unzulänglichkeit der Wasserscheide eintritt (wie in Süd-
Amerika zwischen Orenoco und Rio Regro, einem Nebenfluß des
Amazonenstromes). Alle Flußgebiete, deren Gewässer in dasselbe Meer
sich ergießen, machen zusammen ein Meeresgebiet aus. Eine
Betrachtung der verschiedenen Mecresgebiele auf der Karle wird lehren,
daß der größte Ocean und andere größere Meere verhältnismäßig weit
kleinere Gebiete haben als die meisten Neben- und Binnenmeere.
§. 31. An den größeren Strömen unterfcheidet man drei Haupt¬
strecken in ihrer Entwickelung. 1) Der Oderlauf beginnt mit den
Quellen, die gewöhnlich, aber nicht immer in Hochgebirgen liegen
(Quell-Bezirk ob. Gebiet), ist ein sehr rascher in engem felsigen Bette,
bildet da wo plötzlich ein ansehnlicher Höhenunterschied im Bette ein¬
tritt Wasserfälle oder Katarakten und sammelt seine Gewässer
nicht selten an der Grenze des Hochgebirgs in einem Seebecken.
2) Der mittlere Lauf gehört dem nieoeren Berg- und Hügelland,
der Vorstufe des Hochgebirgslandes, an, erfolgt minder rasch zwischen
entfernteren Uferrändern, bildet sich seinen Weg mehr selbst, häusig in
Schlangenlinien (Serpentinen), und hat statt der Wasserfälle nur
noch Strudel und S t r o m sch n e l l e n , die von einem geringeren
Höhenunterschied im Bette herruhren, vorzüglich da wo der Fluß ein
Gebirge durchbrochen hat, um aus einem Thale, das früher vielleicht
ein Seebecken gewesen, in ein anderes zu gelangen. Schon hier zeigen
sich weiterhin noch häufiger werdende Inseln im Strome, die man
Auen od. Werder nennt. 3) Der untere Lauf geht durch Tief¬
land gewöhnlich breit, ruhig und wasservoll zur Mündung in das
Meer und beherrscht das umliegende Land, indem er es verändert,
besonders durch seine Ueberschwemmungen. Während sich manche Flüsse
in weiten, buchtenartigen Mündungen in das Meer ergießen, haben
andere, von den milgebrachten Schlamm - und Sandmassen im ge¬
raden Laufe gehemmt, Seitenwege aufgesucht; nach der dreieckigen Ge¬
stalt des griechischen Buchstaben Delta, welche der Strom dann mit
seinen Mündungsarmen bildet, nennt man das dazwischen liegende