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der über dem Aequator, und am 21. Dezember, d. i. an unserm
kürzesten Tage, stellt sie jenseits des Aequators über dem süd¬
lichen Wendekreise. Wenn die Sonne im südlichen Wendekreise
steht, dann reichen ihre Strahlen bis an den nördlichen P olarkreis,
und wenn sie im nördlichen Wendekreise stellt, dann reichen sie
bis zum südlichen Polarkreise. Da seht ihr, dass man die Wende¬
kreise und die Polarkreise nicht willkürlich oder nach Gutdünken
gezogen hat, sondern ihre Lage durch den Lauf der Sonne selber be¬
stimmt ist. Wo man an unserm längsten Tage die Sonne im Scheitel¬
punkte sieht, da ist der Wendekreis des Krebses, und wo man
sie an unserm kürzesten Tage im Scheitelpunkte sieht, da ist der
Wendekreis des Steinbocks. Die Polarkreise bilden zur Zeit des
längsten und kürzesten Tages die Grenze des erleuchteten Theils
unserer Krde. Die Sonnenstrahlen reichen dann nur bis an die
Polarkreise, und hier scheidet sich also das Licht und dieFinsterniss.
Alle die Leute, welche zwischen den beiden Wendekreisen woh¬
nen, sehen die Sonne zweimal im Jahre in ihrem Scheitelpunkte,
und sie steht ihnen auch sonst niemals sehr niedrig. Darum ist
es auch zwischen den beiden Wendekreisen viel heisser, als in
unsern Gegenden, und die Hitze würde noch weit grösser sein,
wenn dort die Tage eben so lang wären, als sie im Sommer bei
uns sind. Aber unter dem Aequator sind Tag und Nacht beständig
gleich, d. h. der Tag hat seine zwölf Stunden und die Nacht hat
auch die nämliche Länge. Weiter gegen Süden und Norden sind
zwar Tag und Nacht nicht mehr gleich, aber der Unterschied ist
doch nicht so beträchtlich; da kühlt in den langen Nächten die
Hitze des Tages sich um ein Merkliches ab und macht, dass die
Leute sich von der Tageshitze ein wenig erholen.
Wie geht es aber denen, welche nördlich vom nördlichen Wende¬
kreise oder südlicli vom südlichen Wendekreise wohnen? Ganz er
träglich; wie wir ja an uns selber sehen, die wir doch schon
ziemlich weit vom nördlichen Wendekreise entfernt wohnen. Die
Sonne steht für uns am höchsten, wenn sie über dem nördlichen
Wendekreise steht, d. i. an unserm längsten Tage, und steht für
uns am niedrigsten, wenn sie über dem südlichen Wendekreise
steht, d. i. an unserem kürzesten Tage. Je weiter nun ein Ort
vom Aequator entfernt und je näher er einem der beiden Pole
liegt, desto niedriger steht für ihn die Sonne sowohl am längsten
als am kürzesten Tage, und wer auf einem der beiden Polarkreise
wohnt, der hat an seinem kürzesten und an seinem längsten Tage
ein merkwürdiges Schauspiel. An dem kürzesten Tage geht die
Sonne für den nördlichen Polarkreis eigentlich gar nicht auf. Sie