Mathematische Geographie. 9
zu liegen, so daß der Tag bald langer, bald kürzer sein muß,
und eine Abwechselung der Jahreszeiten statt findet. Wenn die
Erdaxe auf der Ebene der Erdbahn senkrecht stände, so würden
überall auf der Erde die Tage und Nachte gleich lang sein, und
bei uns ohne Abwechselung eine gemäßigte Frühlingswärme herr¬
schen. Die Erdaxe weicht aber von der senkrechten Lage 23^°,
mithin von der Ekliptik G6j° ab, und verändert, weil sie stets
in derselben Lage gegen den Weltenraum bleibt, mit jedem Augen¬
blick ihre Stellung gegen die Sonne. Am 21. Juni steht die
Erde in die Sonne erscheint uns in @, der Nordpol ist
234° bahneinwärts, der Südpol 234" bahnauswärts geneigt,
so daß die Sonnenstrahlen senkrecht auf den Wendekreis des
Krebses fallen, und der ganze nördliche Polarkreis innerhalb, der
ganze südliche Polarkreis außerhalb der erleuchteten Erdhälfte zu
liegen kommt; dort geht also trotz der Axendrehung die Sonne
nicht unter, hier nicht aus; auf der nördlichen Halbkugel ist
der längste Tag und Sommersanfang, auf der südlichen der
kürzeste Tag und Wintersanfang. Vom 21. Juni an nähert
sich die Erleuchtungsgränze immer mehr den Polen, bis endlich
am 23. Sept. die Erde in y steht, die Sonne uns in ^ er¬
scheint, ihre Strahlen senkrecht auf den Aequator fallen, die
Erleuchtungsgränze als Meridian durch beide Pole geht, und
auf der ganzen Erde Tag und Nacht gleich sind. Dies ist für
die nördliche Halbkugel das Herbstäquinoctium, für die südliche
das Frühlingsäquinoctium. Am 21. December steht die Erde in
0, die Sonne erscheint in die Erde hat das zweite Viertel
ihrer Bahn vollendet, der Nordpol ist bahnauswärts, der Süd¬
pol bahneinwärts gekehrt, die Sonne steht senkrecht über dem
Wendekreis des Steinbocks, die Erleuchtungsgränze läuft durch
die Polarkreise, so daß der ganze nördliche Polarkreis außerhalb,
der ganze südliche Polarkreis innerhalb derselben liegt, dort die
Sonne nicht auf-, hier nicht untergehen kann. -Wir haben auf
der nördlichen Halbkugel den kürzesten Tag und Wintersanfang,
auf der südlichen Halbkugel den längsten Tag und Sommersan¬
fang. Kommt endlich die Erde am 21. Marz nach so er¬
scheint die Sonne in y; ihre gegenseitige Stellung ist der vom
23. Sept. gleich, wir haben auf der nördlichen Halbkugel das
Frühlings-, auf der südlichen Halbkugel des Herbstäquinoctium.
§. 20. Man kann der künstlichen Erdkugel in ihrem Hori¬
zont eine dreifache Lage geben, um die dreifache Sphäre zu
versinnlich'n, unter der die Menschen leben. Bei der geraden
Sphäre, unter welcher die Bewohner des Aequators leben,
fallen beide Pole in den Horizont. Die Bewohner dieser Sphäre
haben also keine Polhöhe; alle Parallelkrcise stehen senkrecht auf
dem Horizont, der sie sämmtlich halbirt, so daß die Himmels¬