166 Italien (Sicilien).
Reisenden bindet man wohl auf, daß der Biß eine Tanzwuth bewirke, das rasende
Tanzen aber das rechte Mittel sei, durch den Schweiß das Gift wieder aus dem
Körper zu schaffen. — Brindisi, das römische Brundusium, am Meere, hat
nur 6000 Inw. (ehemals 60,000). Der berühmte Hafen ist versandet, seitdem man
Schiffe in demselben versenkt hat. — Auf dem Berge Gargono steht eine berühmte
Wallfahrtskirche, dem h. Erzengel Michgel gewidmet.
dd) Kalabrien, der südlichste Theil des Königreichs, eine Halbinsel,
die ebenfals der Busen von Tarent bildet. Die Landschaft ist häusigen Erd—
beben unterworfen. Ein herrlicher, tiefblauer, durchsichtiger Hunmel — sagt
ein deutscher Schriftsteller — eine heiße, goldene Sonne, grüne, lichtdurch—
quollene Wogen, die kühlend an deun Küsten branden, und eine Natur, die in
ihrem üppigem Wachsthume die Felsen mit dichtem Laub überwuchert. Im
sonnigen Thale und auf dem geschützken Abhange entfaltet die Palme ihre
Krone, da blühet die Granate, die Myrthe und der Oleander, da grünt der
Lorbeer, reifen Orangen und Zitronen, Mandeln und Feigen, Melonen und
Oliven, und die Nelke rankt sich die höchsten Stämme hinan, und schlingt sich
in Guirlanden und Triumphbogen von Baum zu Baum, und Aloe gedeihen
zu riesiger Größe. In dem unwegsamen Innern ziehen sich die ungetheilten
Fluren der größten Besitzer in solcher Länge hin, daß die Ochsen mit ihren
ungeheuren Hörnern an 1 Tage nur einige Male den Pflug hin- und her—
zuziehen vermögen. Die Menschen leben, wie ihre Erde, in dem gleichern
Zustande einer verwilderten Freiheit, ünerzogen und unwissend, aber gesund
und kräftig, kühn und feurig, heftige Leidenschaften, Glaube und Aberglaube,
Liebe und Haß, Gastfreundschaft und Blutrache, halbzerrüttete mittelalterliche
Zustände mit ihren starken und schwachen Seiten. Die Kalabresen werden
wie als heftig und aufbrausend, so auch als gutmüthig und vertrauensvoll
geschildert. Obschon sie gerne Waffen tragen, so sind doch Gewaltthätigkeiten
selten; man hält sie auch für die unerschrockenskten und tapfersten Krieger
Neapels.
Cosenza, die Hauptstadt, hat nur 15,000 Inw. Ausehnlicher ist Reggio
(spr. Redschio) oder S. Agatha della Gallina, an der Meerenge von Messina,
mit 20,000 Juw. Im Jahre 1783 beim Erdbeben wurde die Stadt ein Schutthau—
fen, sie ist aber regelmäßiger und schöner wieder aufgebaut. — Catanzaro hat 18,000
Inw. Seidenfabriken uünd lebhaften Seidenhandel. — Matera, 12,000 Inw. Ge—
wehrfabriken, Gerbereien.
b) Slie ilien.
Sicilien, eine Insel, hat die Form eines Dreiecks, ist die größte im
mittelländischen Meere, äußerst stark bevölkert, mit mehr als 2 Mill. Inw.
Sie enthält 498 [IMeilen und ist vom festen Lande, getrennt durch die
Straße von Messina oder Meerenge von Sicilien, welche an
der schmalsten Stelle noch keine tuue breit ist. Regelmäßig strömt das
Wasser durch die Meerenge 6 Stunden lang nach Norden, dann 6 Stunden
lang nach Süden, und zwar mit Gebrause und Strudel. Dies ist die
Charybdis der Alten hrßt Calofaro), die wohl Schiffe aufhält, aber
bei weitem nicht so gefährlich ist, wie die Alten fabelten. Dem Strudel
gegenüber ist das kalabrische Vorgebirge Scylla Getzt Rema). Seltsam
ist es, daß man an der sicilianischen Küste über der Meerenge oft allerlei
Gestalten in der Luft schweben sieht, z. B. Menschen, Thürme, als wä—