Full text: Handbuch der Geographie für die Jugend

182 Das Kaiserreich Frankreich. 
Zeiten diese Landschaft das Herz, der Mittelpunkt des Reiches war), liegt 
an der Seine. 
Hier ist Paris (der Franzose spricht Parih), die Hauptstadt des Rei 
beiden Seiten der Seine, zählte bei Eintritt der den e en 
ken über 1,174,000 Seelen; die jetzt hinzugezogenen Theile enthalten über 351000 
Inw.; das erweiterte Paxis hat also über 114 Mill. Menschen und ist demnach die 
volkreichste Stadt des Festlandes, und nimmt den 2. Rang aͤller Städte in Europa 
ein, da London 2,400,000 Seelen zählt. Die Stadt hatte bereits vor ihrer Erwene 
rung mit ihren vielen Vorstädten 8s Stunden Umfang, 550 Paläste (Hotels) — keine 
Stadt Europas besitzt so viele Paläste — 3000 Käffeehäuser, über 30 Theater, an 
450 Aerzte, 158 Apotheken, nur 40 Schulen, nur 12 Pfarr⸗ und 2 Nebenkirchen 
(vor der ersten Revolution über 500 Kirchen), 8000 Wahnsinnige, 10,000 Verbre— 
cher iun den Gefängnissen. Paris hat keine Thore, sondern nür 58 Barrieren (Schlag⸗ 
bäume. Zwischen der Stadt und den Vorstädten sind Alleen, Boulevards genannt. 
WMan hat diese passend eine Schlange genanut, die das Herz von Paris umgürtet, 
sehr glänzende Schuppen hat, und auf welcher Ameisen kriechen. In den Vorstädten 
sind manche Häuser klägliche Hütten, und der Fremde, der die Vorstädte natürlich 
zuerst erreicht, fragt leicht, ob diese schon zu dem berühmten Paris gehören. Die 
Straßen in der Stadt selbst sind enge, viele auch krumm, und um so ärger ist das 
Menschengetümmel, da immer die Hälfte der Bewohner sich auf den Staßen um— 
hertreibt, denn der Pariser kann nicht lange zu Hause sitzen. Dazu kommt, daß be— 
ständig Trödler ihre Waaren ausschreien, Savoyarden Murmelthiere tanzen lassen, 
Gaukler andere Künste feil bieten, schmutzige Weiber Pfannkuchen backen, Fleisch bra— 
ten, Heringe rösten und ihre Gäste bewirthen, alles auf offener Straße. Das ver— 
worfenste Gesindel sind die Fischweiber, Poissarden genannt, auch Damen der 
Halle, weil der Fischmarkt wie eine Halle bedeckt ist. Das unaufhörliche Rasseln 
der Kutschen wird unter dem übrigen Lärm kaum vernommen. Kutz, Paris bietet 
dem Fremden täglich einen Anblick, als sei ein Volksaufruhr im Gange. — Die 
schönsten Straßen befinden sich längs der Seine, an beiden Seiten des Flusses; sie 
sind mit Quadern belegt, an den Ufern eingefaßt, und heißen Quais (pr. Kähs). 
Ueber die Seine führen 18 Brücken, deren einige von Eisen sind. Die neue Brücke 
(Pontneuf) ist 1020 Fuß lang und 54 breit. Sie steht immer voll von Müßiggän— 
gern, welche die Vorübergehenden mustern. Die Seine macht in der Stadt drei In⸗ 
seln, von denen zwei, Notre-Dame (spr. Noter-Dahm), d. h. Unser lieben Frauen, 
und St. Louis, bebaut sind. Auf der Insel Notre-Dame steht der Dom Notre-Dame, 
im gothischen Style, 400 Fuß lang, 200 Fuß breit, 70 Fuß hoch, mit zweien, 200 
Fuß hohen Thürmen, in deren einem eine 320 Ztr. schwere Glocke hängt. Auf der⸗ 
selben Insel ist auch das berühmte Hotel-Dieu (spr. Diöh), ein Hospital, das 
in manchen Jahren 30,000 Kranke aufnahm; barmherzige Schwestern besorgen die 
Pflege. Die Genovefakirche ist das Pantheon für Paris, erst ein Gotteshaus, dann 
die Begräbnißstätte für die Größen der Revolution, und für Neuheiden, wie Vol— 
taire und Rousseau, durch Ludwig Napoleon dem Gottesdienste zurückgegeben. Die 
Kirche St. Sulpice ist 336 Fuß lang, hat mehr als 20 Kapellen und zwei 280 Fuß 
hohe Thürme. Die Kirche St. Madelaine ist ein im altgriechischen Styl erbauter 
schöner Tempel. Für ein Gotteshaus erscheint sie uns zu theatralisch. Das ehema— 
lige königliche Residenzschloß heißt die Tuͤilerien und stößt an die Seine. Durch 
einen bedeckten Gang haugen die Tuilexrien mit dem Louvre (spr. Luhwer) zusam— 
men, in welchem wissenschaftliche Schätze aufbewahrt werden. An der andern Seite 
der Tuilerien liegt ein großer Garten, dann folgt der viereckige Ludwigsplatz, dar— 
auf die eliseischen Felder, ein Lustgehölz. Das Palais royal Epr. Paläh 
rojahl) ist eine Stadt im Kleinen, an Kaffee- und Weinwirthe, Salbenkrämer, Buch— 
händler, Putzmacherinnen u. s. w. theilweise vermiethet. Noch muß der Palast Lu— 
Lemburg mit seinem großen Garten genannt werden, wo die Pairskammer, und der 
Palast Bourbon, wo die Deputirtenkammer ihre Sitzungen hält. Das Invaliden—
	        
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