110
III.
Bester Vater! Frühling 1809.
Mit uns ist es aus, wenn auch nicht für immer, doch für jetzt. Für
mein Leben hoffe ich nichts mehr. Ich habe mich ergeben, und in dieser
Ergebung, in dieser Fügung des Himmels bin ich jetzt ruhig, und in
solcher Ruhe, wenn auch nicht irdisch glücklich, doch, was mehr sagen will,
geistig glückselig.
Es wird mir immer klarer, daß alles so kommen mußte, wie es
gekommen ist. Die göttliche Vorsehung leitet unverkennbar neue Welt-
zustände ein, und es soll eine andere Ordnung der Dinge werden, da die
alte sich überlebt hat und in sich selbst als abgestorben zusammenstürzt.
Wir sind eingeschlafen auf den Lorbeeren Friedrichs des Großen, welcher,
der Herr seines Jahrhunderts, eine neue Zeit schuf. Wir sind mit der¬
selben nicht fortgeschritten, deshalb überflügelt sie uns. — Das siehet
niemand klarer ein als der König. Noch eben hatte ich mit ihm darüber
eine lange Unterredung, und er sagte, in sich gekehrt, wiederholentlich:
„Das muß auch bei uns anders werden." Auch das Beste und Überlegteste
mißlingt, und der französische Kaiser ist wenigstens schlauer und listiger.
Wenn die Russen und die Preußen tapfer wie die Löwen gefochten hatten,
mußten wir, wenn auch nicht besiegt, doch das Feld räumen, und der
Feind blieb im Vorteil. Von ihm können wir vieles lernen, und es wird
nicht verloren sein, was er gethan und ausgerichtet hat. Es wäre Lästerung,
zu sagen, Gott sei mit ihm; aber offenbar ist er ein Werkzeug in des
Allmächtigen Hand, um das Alte, welches kein Leben mehr hat, das aber
mit den Außendingen fest verwachsen ist, zu begraben.
Gewiß wird es besser werden: das verbürgt der Glaube an das
vollkommenste Wesen. Aber es kann nur gut werden in der Welt durch
die Guten. Deshalb glaube ich auch nicht, daß der Kaiser Napoleon
Bonaparte fest und sicher auf seinem, jetzt freilich glänzenden Throne ist.
Fest und ruhig ist nur allein Wahrheit und Gerechtigkeit, und er ist nur
politisch, das heißt klug, und er richtet sich nicht nach ewigen Gesetzen,
sondern nach Umständen, wie sie nun eben sind. Dabei befleckt er seine Re¬
gierung mit vielen Ungerechtigkeiten. Er meint es nicht redlich mit der
guten Sache und mit den Menschen. Er und sein ungemessener Ehrgeiz
meint nur sich selbst und sein persönliches Interesse. Man muß ihn mehr
bewundern, als man ihn lieben kann. Er ist von seinem Glück geblendet,
und er meint alles zu vermögen. Dabei ist er ohne alle Mäßigung, und
wer nicht Maß halten kann, verliert das Gleichgewicht und fällt.
Ich glaube fest an Gott, also auch an eine sittliche Weltordnung.
Diese sehe ich in der Herrschaft der Gewalt nicht; deshalb bin ich der
Hoffnung, daß ans die jetzige böse Zeit eine bessere folgen wird. Diese
hoffen, wünschen und erwarten alle besseren Menschen, und durch die Lob¬
redner der jetzigen und ihres großen Helden darf man sich nicht irre
machen lassen. Ganz unverkennbar ist alles, was geschehen ist und geschieht,
nicht das Letzte und Gute, wie es werden und bleiben soll, sondern nur
die Bahnung des Weges zu einem besseren Ziele hin. Dieses Ziel scheint
aber in weiter Entfernung zu liegen, wir werden es wahrscheinlich nicht