2oG III. Lander- und Lölkerkunde. A. Europa. 
ten Körper tragen, rennen wie Besessene durch alle Gassen, oder lie¬ 
gen ausgestreckt im Staub und im Kothe da und halten, jämmerlich 
winselnd, Einern die Hand entgegen, ohne den hin und her rollenden 
Equipagen aus dein Wege zu gehen, so daß die Kutscher genöthigt sind, 
sie zu umfahren. 
Der Dom der heiligen Rosalia ist im Aeußern ein Prachtstück; im 
Innern sind einzelne Capellen und Altäre ganz mit Platten des him¬ 
melblauen Lasursteines (Lapis lazuli) bedeckt. In einer der Seiten¬ 
capellen stehen die rothbraunen Marmorsärge der Kaiser Heinrich IV. 
und Friedrich II. In der Gruftkirche unter dem Dom ruhen auch 
Kaiser und Könige neben geistlichen Fürsten und Heiligen. 
Nicht weit von dem Dom, auf einem großem, znin Theil mit grü¬ 
nen Particen eingefaßten Platz, erhebt sich das mächtig breite Schloß, 
die Königsburg des Normannen Roger, einst Festung und noch jetzt 
aus beiden Seiten mit steinernen Bollwerken versehen. Durch das Ein- 
gangsthor tritt man in den viereckigen Hof, wo drei schöne Säulen¬ 
hallen im Spitzbogcnstil über einander aufsteigen. Zur Rechten im 
zweiten Stockwerke befindet sich die berühmte Capella Palatina mit den 
herrlichsten alten Mosaikgemälden. Wie der ganze Palast sarazenischen 
Ursprungs sein soll, so auch die Bauart dieser Kirche. Darstellungen 
aus dem alten mit» neuen Testamente schmücken in fortlaufender Reihe 
alle Wände, Bögen und Gewölbe. Es ist gleichsam eine vollständige 
Bibel in Stein und Farben. Marmorbekleidung und Mosaik bedecken 
jeden Punkt vom Fußboden bis zur Decke. Der ganze Bau erscheint 
als vollständige dreischiffige Basilica, mit einer Kuppel über dem 
Ehorraume. 
Je länger ich hier weile, desto mehr fesselt mich Stadt und Gegend, 
so daß Neapel in den Hintergrund gedrängt wird. Ans dem nervcn- 
zerrüttendcn vulkanischen Menschengetose dieser Stadt gibt es außer 
nach dem Posilipp und Capo di Monte für Spaziergang oder Fahrt 
gar keine Flucht; denn alle Ortschaften bis Caslella wäre hinaus sind 
eigentlich nur endlos fortgesetzte Vorstädte Neapels, deren Ausdehnung 
ermüdet. Palermo hat dagegen den Vorzug der Begrenzung durch ein 
Gebirge, dessen malerische Formen vielleicht durch nichts in der Welt 
übertroffen werden, während zugleich sein Golf, nicht wie der neapoli¬ 
tanische durch Inseln geschlossen, die unbegrenzte Aussicht auf die Un¬ 
endlichkeit des Meeres bietet. Die Umgebung der Stadt, das ganze 
breite, leise ansteigende Thal, in dessen Schooße sie hingestreckt liegt, 
ist ein großer Garten; schattige Kühle, Ruhe und ländlicher Frieden 
sind bald von jedem Theile der Stadt aus erreichbar.
	        
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