Full text: Lesebuch für die Mittelstufe

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einen will ich dir schenken.“ „Nein,“ sprach Sneewittchen, „ich darf 
nichts annehmen.“ „Fürchtest du dich vor Gift?“ sprach die Alte, 
„siehst du, da schneide ich den Apfel in zwei Teile; den roten Backen 
iß du, den weißen will ich essen.“ Der Apfel war aber so künstlich 
gemacht, daß der rote Backen allein vergiftet war. Sneewittchen schaute 
den schönen Apfel lüstern an, und als es sah, daß die Bäucrin davon 
aß, konnte es nicht länger widerstehn, streckte die Hand hinaus und 
nahm die giftige Hälfte. Kaum aber hatte es einen Bissen davon im 
Munde, so fiel es tot zur Erde nieder. Da betrachtete es die Königin 
mit grausigen Blicken, lachte überlaut und sprach: „Weiß wie Schnee, 
rot wie Blut, schwarz wie Ebenholzl Diesmal können dich die Zwerge 
nicht wieder erwecken.“ Und als sie daheim den Spiegel befragte: 
„Spieglein, Spieglein an der Wand, 
wer ist die schönste im ganzen Land?“ 
so antwortete er endlich: 
„Frau Königin, ihr seid die schönste im Land.“ 
Da hatte ihr neidisches Herz Ruhe, so gut ein neidisches Herz Ruhe 
haben kann. 
12. Als die Zwerge abends nach Hause kamen, fanden sie 
Sneewittchen auf der Erde liegen; es ging kein Atem mehr aus seinem 
Mund, und es war tot. Sie hoben es auf, suchten, ob sie was 
Giftiges fänden, schnürten es auf, kämmten ihm die Haare, wuschen 
es mit Wasser und Wein; aber es half alles nichts: das liebe Kind 
war tot und blieb tot. Sie legten es auf eine Bahre, sehten sich alle 
sieben daran und beweinten es und weinten drei Tage lang. Da 
wollten sie es begraben, aber es sah noch so frisch aus wie ein leben— 
der Mensch und hatte noch seine schönen roten Backen. Sie sprachen: 
„Das können wir nicht in die schwarze Erde versenken,“ und ließen 
einen durchsichtigen Sarg von Glas machen, daß man es von allen 
Seiten sehen konnte, legten es hinein und schrieben mit goldenen Buch— 
staben seinen Namen darauf, und daß es eine Königstochter wäre. 
Dann setzten sie den Sarg hinaus auf den Berg, und einer von ihnen 
blieb immer dabei und bewachte ihn. Und die Tiere kamen auch und 
beweinten Sneewittchen, erst eine Eule, dann ein Rabe, zuletzt ein 
Täubchen. 
18. Nun lag Sneewittchen lange, lange Zeit in dem Sarg und 
verweste nicht, sondern sah aus, als wenn es schliefe; denn es war 
noch so weiß wie Schnee, so rot wie Blut und so schwarzhaarig wie 
Ebenholz. Es geschah aber, daß ein Königssohn in den Wald geriet
	        
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