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unter seinen Bürgern frisch erhalten hat, theils aber auch seiner geo¬
graphischen Lage. Die Stadt liegt auf der südlichsten Spitze eines
von den mährisch-böhmischen Gebirgen anslanfenden Hügelrückens, auf
einem Felsengebilde von Syenit, auf einer Art von Vorgebirge oder
Halbinsel gleichsam, an deren Spitze sich zwei Flüsse, die Schwarza
und die Zwittawa, vereinigen. Diese vorzügliche, ans weiter Ferne
sichtbare Position mußte natürlich schon früh und beständig zu Ansiede¬
lung und städtischer Befestigung einladen, und über die nächste Nach¬
barschaft, wo keine günstigere Situation sich findet, mochte diese Ansie¬
delung sich bald erheben. Die Mündung der Zwittawa und Schwarza
fiel zugleich in die mittlere Längenaxe des ganzen mährischen Laudkessels,
in dieselbe Längenaxe, in welcher überhaupt die Bevölkerung des Landes
am engsten gehäuft ist. Diese Lage mußte Brünn natürlich schon als
zu einem der ersten Plätze unter Mährens Städten berufen erscheinen
lassen, da sich in der von Nordost nach Südwest gerichteten Linie jener
Axe alle die vornehmsten Städte des Landes, Nentitschein, Weißkirchen,
Olmütz, Proßnitz, Brünn und Znaym, zeigen. Aus der Reihe dieser,
an der großen mährischen Mittelstraße liegenden bedeutendsten Städte
wurde Brünn noch besonders durch den Umstand hervorgehoben, daß
die vornehmste Einströmung von Handel, Waaren, Leben und Bevölke¬
rung aus Ungarn nach Mähren aus sehr natürlichen Gründen da Statt
hatte, wo die March die Karpathen durchbricht. Diese Einströmung,
besonders insofern sie auf den Mittelpunkt von Böhmen, nach Prag ge¬
richtet war, führte direct auf Brünn, über welches die nächste Straße
zwischen Prag und Ofen kreuzt, und diese Kreuzung zweier so wichtigen
Straßen hat die Stadt besonders groß gemacht und ihr die Vermitte¬
lung des Handels zwischen Ungarn und Böhmen, wie zwischen Oester¬
reich und Schlesien in die Hand gegeben. Olmütz ist mehr nur wichtig
als bloße Vermittlerin zwischen Galizien und Böhmen.
Von Weitem gab Brünn einen sehr stattlichen Anblick, als wir,
vom Schlachtfelde von Austerlitz heranrollend, seiner ansichtig wurden,
als wir sie, von vielen schönen Gärten umgeben, im Hintergründe Hügel
und Wald, in der Mitte den prächtigen Dom und manches andere statt¬
liche Gottesgebäude ihm zur Rechten und Linken, so freundlich und
bunt, zum Theil am Berge sich lehnend und auf Hügclu in mannich-
facher Gruppirung nistend, zum Theil aber mit einigen Vorstädten ins
Thal hinabsteigend und die Flußufer bekränzend, vor ihr eine weite,
schöne, mit Dörfern besetzte Ebene, da liegen sahen.
Der Franzensberg ist der äußerste schroffe Vorsprung des noch hö¬
heren Petersberges, auf welchen sich ein ganzes Quartier der Stadt
und unter anderen auch die Domkirche hinaufschob. Der Felsen dieses
Borsprungs diente sonst zu Befestigungswerken. Statt der alten Fe¬
stungsmauern umgeben den Felsen jetzt grüne Hecken und Traubenge¬
länder. In der Mitte der blumigen Felsenplattform erhebt sich ein
60 Fuß hoher Obelisk aus grauem mährischen Marmor auf einem
eben solchen viereckigen Cubus. Auf der einen Seite des Sockels steht
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