196. Dublin.
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in völlig wüster Gegend. Oben auf der Wasserscheide ist ein kleiner
dunkler See, und nun fällt der Weg wieder westlich ab, gegen die Bai
von Loch Tyne. Hier lagern sich schöne Bergformen um das grüne
Meereswasser, und die Straße windet sich am Rande der Bucht herum.
Weiter geht es so unter Eichen und Eschen über Glimmerschieferklippen
immer den See entlang; eine neue nördliche Einbuchtung stellt sich
dar; auch hier schlingt sich der Weg so längs der Küste hin, gegen-
über erscheint Jnverary, man ist in den Besitzungen des Herzogs von
Argyle, und bald erscheint unter hohen Linden das herzogliche Schloß
von Jnverary und oben auf waldiger Höhe ein luftiges Belvedere.
Jetzt war nun die Dämmerstunde herangekommen, und hier war
eS, wo mir das eigenthümliche Bild Schottlands, wie ich mir es in
früher Zeit geträumt hatte, zum ersten Male so recht lebhaft entgegen
trat. Graulicher Nebel über der See, auf der viele Fischerbarken
schwankten, bläuliche Ferne, ungewisser Duft über hohe Berge ringsum
gebreitet, und dunstiger halb wolkiger Himmel, an dem mit unsicherm
Schimmer der Mond eben hervortrat. Am Wege dann mächtige Roth-
buchen und Eichen, weiterhin das alte, graue, zinnenhafte Schloß und
in der Ferne der kleine Küstenort Jnverary mit seinen weißen Häusern
und einem eben angekommenen Dampfschiff, — es gab ein durchaus
eigenthümliches Bild, und wirkte in aller Beziehung anders, als alles,
was ich vorher an englischen Küsten, in den Gebirgen von Wales und
an den Seen von Cumberland erfahren hatte.
196. Dublin.
(Nach I. G. Kohl, Rcisen in Irland.)
Von allen drei Capitalen der drei britischen Königreiche ist Dublin
als solche die jüngste. Zwar erwähnt schon Ptolemüus dieser Stadt,
zwar residirten hier auch vom 9. bis zum 12. Jahrhundert nicht weniger
als 25 ostmannische (dänische) Könige, und wer weiß noch vor ihnen
wie viele alte Könige von Leinster, allein die Stadt war damals ein
der übrigen Welt eben so unbekannter Ort, wie die anderen Capitalen
der zahlreichen dänischen und norwegischen Seekönige und der zahllosen
irischen Landbeherrscher. Ihre Häuser waren von Flcchtwcrk und Lehm
gebaut, und ihr ganzer Umfang betrug kaum eine englische Meile.
Erst als die englischen Vicekönige hier ihre Residenz aufschlugen,
gelangte sie zu einiger Wichtigkeit, die aber Anfangs nur langsame und
unbedeutende Fortschritte machte. Denn erst zu Elisabeth's Zeiten fing
man an, die Häuser von ordentlichen hölzernen Balken zu bauen, und
erst unter Jakob dem Ersten ließ man an die Stelle des Holzes Steine
treten. Selbst noch im Jahre 1610 überschritten die Mauern und
Grenzen der eigentlichen Stadt nicht ihren alten Umfang von einer
Meile (jetzt hat sie 10 englische Meilen Umfang). Bis zum 16. Jahr¬