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zahlreiche Bergströme, aber doch bei weitem nicht eine so große Wassermasse,
als man nach der Höhe der umgebenden Andes erwarten sollte. Unter den
vielen Inseln des Sees ist diejenige, von der er den Namen fuhrt und welche
am SO. Ende liegt, die größte und berühmteste, denn von ihr aus breitete
sich die Macht des altperuanischen Reiches aus. Der Desaguadero bildet
den Abfluß des Sees; er ist im Vergleich mit der Ausdehnung des Sees ein
unbedeutendes Wasser, eine Thatsache, die sich leicht durch die starke Verdam¬
pfung erklären laßt, der sein Wasserspiegel in einer so außerordentlich trockenen
und verdünnten Atmosphäre, als Folge seiner ungeheuren Höhe, ausgesetzt ist.
§. 238.
Der E h a r a k t e r d e r amerikanischen G e w ä s s e r.
I. Amerika ist der wasserreichste Erd theil. Der größte Theil
seiner Gewässer wird dem Ocean zugeführt. Die Zone der kontinentalen Flüsse
ist von sehr geringer Ausdehnung. Im Verhältniß zu seinem Areal und zu
seiner ungemein, reichen Bewässerung hat er verhältiiißmäßig wenig Stromsy¬
steme; die vorhandenen aber sind meist sehr verzweigt, ausgezeichnet durch ihre
Größe und den ungeheuren Flächenraum, über welchen ihr Wassernetz ausge¬
spannt ist. II. Was die Ausbildung der Ströme anlangt, so zeigen
sich in dieser Beziehung sehr große Verschiedenheiten. 1. Di e arktischen
FlächenN. Amerikas sind von unzähligen Wasserläufen durch¬
schnitten, welche theils iits N. Eismeer, theils in die Hudsons-Bai aus¬
münden. Ihre Fallthätigkeit ist nicht selten in Verlegenheit, wohin sie sich zu
wenden habe. Die wasserreichen Flüsse können oft bis zu ihren Quellen mit
kleinen Fahrzeugen beschisst .werden. Die Quellen der entgegengesetzten Gebie-
>en angehörenden Flüsse sind oft so dicht benachbart, daß man die Fahrzeuge
über die Wasserscheide zu tragen vermag, daher die Zone der Tragplatze, die
Zone der unentwickelten Ströme voll Stromschnellen und Katarakten, erfüllt
mit einer ungezählten, einer unbekannten Menge großer und kleiner Seen hier
zu suchen ist. 2. Eben so unentwickelt find die meisten Gewässer,
welche dem stillen Ocean zugehen. In Süd-Amerika, wo das Hoch¬
gebirge der Andes lnunittelbar an eine schmale- Küstenebene grenzt und die
Mittelgebirgsform gänzlich fehlt, stürzen die fließenden Wasser in steilen, engen,
tiefgespaltenen Schluchten (Quebradas) nach kurzem, stürmischem Laufe un¬
mittelbar ins Meer; sie sind für die Bodenkultur und für den Verkehr gleich
unbedeutend. In Nord-Amerika können sich einige Stromsysteinc entwickeln,
weil hier die Cordilleren von ihrer Höhe herabsinken und ihrem Westsuße theil-
weise breite Flächen oder Hochebenen angelagert sind. Daher sich auch hier
die einzigen größeren, W. gerichteten Stromläufe in Amerika finden. 3. Die
Ströme Süd-Amerikas, welche dem atlantischen Ocean zu¬
gehen, sind gleichfalls noch unentwickelt. Auch hier grenzen
Hoch- und Tiefland fast unvermittelt an einander, denn dem O. Fuße der
Cordilleren ist nur eine schmale Mittelgebirgszvne angelagert. Daher gelangen
die Strome von den Andes durch enge Felsenschluchten bald, in die Tiefebenen.
Durch dieselben strömen sie alsdann in großer Einförmigkeit und endigen in
Lachen und Sümpfen, wie in Patagonien und in den S. Pampas. Oder aber
irren sie, die Lebensadern, die einzigen Verbindungswege bildend, durch die Tief¬
länder und bringen in der Nähe des Aequators ihre unermeßlichen Fluthen dem
Ocean. Ihre Wasser sind im Sommer, zur Zeit der Schneeschmelre in den
Andes, am höchsten und werden noch überdieß durch die große Menge des
fallenden Niederschlages vergrößert. Gerade aber dieser große Wasservorrath
der Riesenströme Süd-Amerikas ist es, durch welchen die Tiefländer desselben
aus Wüsten in Steppen und fruchtbares Land verwandelt, durch dessen Druck