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Nomade n. Tübet ist besonders in seinen westl. Provinzen ein armes Land,
das kaum die nöthigen Nahrnngsmittel liefert; die Viehzucht, besonders die
Schafzucht, ist daher bedklitender, als der Ackerbau und gewährt die Haupt¬
nahrung der Bewohner. Das Mineralreich liefert edle Metalle, Kupfe-r,
Blei, Salz. Die Handwerker verfertigen verschiedene feine und grobe
Wollenwaaren, auch gibt es vortreffliche Silberschmiede, Steinmetzen und Holz¬
schnitzler. Ansehnlicher Binnenhandel; der auswärtige Handel wird
besonders mit China, Kaschmir und mit der kleinen Bucharei getrieben. Der
Buddhaismus ist in Tübet am meisten ausgebildet. 3000 Tempel und
Klöster; viele Priester, Mönche und Nonnen, welche einen großen Theil der
Abgaben verzehren. Gelehrte Kenntnisse stehen in hoher Achtung; doch stehen
die Tübetaner auf keiner hoher» Stufe, in Beziehung auf die Sittlichkeit; Po¬
lyandrie unter Brüdern ist allgemein. Tübet ist ein Priesterstaat unter
der Herrschaft der buddhaistischen Priester, an deren Spitze der Dala'i Lama
oder Großpriester steht, er gilt für eine Menschwerdung Gottes und die Tü¬
betaner werfen sich vor ihni in tiefster Ehrfurcht in den Staub. Der Dala'i
Lama hat seine frühere politische Unabhängigkeit und Selbstständigkeit verloren;
in weltlicher Beziehung ist er ein Diener des Kaisers von China, der ihm sein
Patent und auch einen Jahresgehalt gewährt. Zwei chinesische Generale
stehen an der Spitze der Regierung und führen den Oberbefehl über die aus
64,000 Mann bestehende tübetanische Kriegsmacht. An die Stelle der
frühern grausamen Kriminal-Gesetzgebung ist die mildere der Chinesen
getreten. Tübet ist in 4 Provinzen eingetheilt; eö hat mehr als 60 Städte.
1. Provinz Uni- H'lassa, (d. h. Budha-Land), 80,000 E.; Haupt¬
stadt von Tübet; Residenz des Dalai-Lama und der chinesischen General-
Statthalter; viele Prachtgebäude. 2. Provinz D^z a n g. Teshu Lumbu,
Hauptstadt der Provinz; Residenz deS Bandfchin erdeni oder des zweiten prie-
sterlichen Oberhaupts. 3. Provinz Kham. Tsiamdo, Hauptstadt der
Provinz; Passageort von Tübet. 4. Provinz Ngari oder das Land der
Khor-Kat sch »-Mongolei». Dieses Land ist, wie das Land der Kukunoor-
Mongolen, ein Tafelland voll reicher Weideplätze. Von den Bewohnern dieser
Länder kaufen die Tübetaner ihre Pferde-
§. 537.
D i e Dsungarei.
Die Dsungarei», ein Stamm der Mongolen, hatten ein großes Reich
gegründet, zu welchem auch Ost-Turkestan gehörte. Das Reich rvurde in» Jahr
1757 von den Chinesen vernichtet; die Dsungarei und Ost-Turkestan »vrirden
unter dem Namen Si ju (d. h. Westland oder Land der neuen Grenze) dem
chinesischen Reiche einverleibt. Die Dsiingaren »vurden größtentheils vernichtet;
die Ueberreste derselben retteten sich auf russisches Gebiet, oder siedelten sich
in Ost-Turkestan an, oder wanderten in die Mongolei. Jetzt heißt die Dsun¬
garei Thian Schar» pe lu (nördlicher Landstrich längs des Hiinmelsgebirges)
und bildet das General-Gouvernement Jli. Die Dsungarei ist
c. 10,000 O-.M. groß, wird aber nur von Vr Mill. Menschen bewohnt. Die
Bevölkerung der Dsungarei bildet ein großes Völkergemisch.
Nach der Vernichtung der Dsungarei»-Herrschaft wurde nemlich das ent¬
völkerte Land mit Festtlngen, Garnisonen und Grenzposten versehen. Es ivurde
z»rr Aufnahme der Verbrecher-Kolonien aus China bestimmt, die hie-
her verwiesenen Verbrecher Haber» den Städtebau, den Ackerbau und die In¬
dustrie in die Dsungarei verpflanzt. Militär-Kolonien, aus chinesischen,
mandschurischen, »nongolischen und Tadschik-Truppen bestehend, wurden ange¬
legt und »nehrere tausend Tadschik-Familien aus der hohen Tartare»
nach dem Gouvernement Jli übergesiedelt. Endlich findet man nornadisirende