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II. 1. Es steigt ein Geist, umhüllt von blankem Stahle,
Des Friedrichs Geist, der in der Jahre sieben
Einst tat die Wunder, die er selbst beschrieben,
Er steigt empor ans seines Grabes Male
2. Und spricht: „Es schwankt in dunkler Hand die Schale,
Die Reiche wägt, und meins ward schnell zerrieben.
Seit ich entschlief, war niemand wach geblieben,
Und Roßbachs Ruhm ging unter in der Saale.
3. Wer weckt mich heut und will mir Rach' erstreiten?
Ich sehe Helden, daß mich's will gemahnen,
Als säh' ich meine alten Zielen reiten.
4. Auf, meine Preußen, unter ihre Fahnen!
In Wetternacht will ich voran euch schreiten,
Und ihr sollt größer sein als eure Ahnen!"
Fr. Rückert.
Die Straßburger Tanne.
1. Bei Straßburg eine Tanne, im Bergforst, alt und groß,
Genannt bei jedermanne die große Tanne bloß,
Ein Rest ans jenen Tagen, als dort noch Deutschland lag,
Die ward nun abgeschlagen an diesem Pfingstmontag.
2. Da kamen wie zum Feste zusammen fern und nah
In ganzen Scharen Gäste und sahn das Schauspiel da.
Sie jauchzeten mit Schalle, als niedersank ihr Kranz,
Und hielten nach dem Falle im Forsthaus einen Tanz.
3. Hat einer wohl vernommen, was, als die Wurzel brach.
Im Herzen tief beklommen zuletzt die Tanne sprach?
Ein Widerhall vernahm es, der trug von Ziel zu Ziel
Es weiter, und so kam es hier in mein Saitenspiel.
4. So sprach die alte Tanne: Ich stehe nun der Zeit
Hier eine lange Spanne in dieser Einsamkeit,
Von dieses Berges Gipfel mich streckend in die Lust;
Es weht um meine Wipfel noch der Erinnrung Duft.
5. Ich sah in alten Zeiten die Kaiser und die Herrn
Im Lande ziehn und reiten; wie liegt das heut so fern!
Da möcht' ich wohl mit Rauschen sie grüßen in der Nacht
Und mit den Winden tauschen Gespräch von deutscher Macht.
6. Dann kam die Zeit der Irrung, des Abfalls in das Land,
Voll schmählicher Verwirrung, da ich gar traurig stand;
Es klirrten fremde Waffen, es zuckte mir durchs Mark,
Ich sah die Zeit erschlaffen und blieb kaum selber stark.