94 Zweite Abtheilung. Die Physikalische Geographie.
§. 67.
Die Durchsichtigkeit des FUeerwassers.
Das Meerwasser ist viel durchsichtiger als das Flußwasser, durchsich¬
tiger in kälten, als in den heißen Klimäten. In den Gewässern bei No«
waja Semlja hat man in einer Tiefe von 480' Muscheln auf dem Grunde,
gesehen. Doch ist das Meerwasser auch in manchen Gegenden der heißen Zone
sehr durchsichtig, besonders im caraibischen Meere, wo man in einer Tiefe
von 30' die reiche Vegetation der Zoophyten und Meerespflanzen so deutlich
erkennt, daß man glauben möchte, sie mit der Hand pflücken zu können.
§. 68.
Das Feuchten des FUeerwassers.
1. Das Leuchten des Meerwassers sieht man im offenen Oeean
und in den Binnenmeeren, in allen Klimäten, besonders in der Tropenzone.
Es zeigt sich unter den mannigfaltigsten Gestalten. Ost sieht man im dun¬
keln Meeresspiegel die Furche, welche das Schiff zieht (Kielwasser), mit glän¬
zendem Feuerschein, ebenso die Ränder der Wellen, welche an das Schiff
schlagen; oder man erblickt einzelne leuchtende Kugeln und glänzende Funken
durch das Wasser hin- und herfahren; oder es werfen unabsehbare Flächen
einen mehr oder minder matten Lichtschein, der überall, wo Bewegung Statt
findet, am Schiff, an den Rändern der Wellen u. s. w., eine größere Le¬
bendigkeit zeigt. Diese prächtigen Erscheinungen zeigen sich vorzugsweise in
stillen, warmen Nächten in ihrer ganzen Herrlichkeit, und können oft Tage
lang an derselben Stelle des Meeres beobachtet werden.
2. Die Ursachen des Leuchte ns sind in der offenen See gewisse
gallertartige Thiere, Medusen und Quallen; in den Küstengegenden aber auch
das Phoöphoresciren in Fäulniß übergegangener thierischer Körper.
§. 69.
Die Gestalt der Mleeresoberstäche.
1. Der Ocean, als eine in allen seinen Theilen zusammenhängende
Fläche, hat die Gestalt eines Sphäroids. Im Kleinen aber bildet seine
ruhig stehende Wassermasse eine vollkommen wagerechte, ebene Fläche. -
2. Seine Oberfläche hat gleiche Höhe oder gleiches Niveau.
Würde irgend ein Theil der Wassermasse höher oder tiefer sein, so entstände
sogleich ein Streben zur Wiederherstellung des Gleichgewichts.
3. Doch finden sich einzelne Ausnahmen, denn in der Regel haben^Bin-
nenmeere einen höheren Wasserstand als der offene Ocean, der durch die ein¬
mündenden Ströme und Flüsse hervorgebracht wird. Führen die letzteren dem
Binnenmeere mehr Wasser zu, als verdunsten kann, so strömt der Ueberschuß
durch eine Meerstraße in den offenen Ocean.
4. Die Ostsee steht bei Kiel 1' höher, als die Nordsee an der Eyder-
mündung. Wenn Wasser fließen soll, so muß es mindestens V4" Fall auf
die Meile haben; mithin muß bei der gegen N. durch den Sund und die Belte
Statt findenden Strömung das Wasser der Ostsee im Hintergründe des bothni-
schen Meerbusens bei Tornea wenigstens 5' höher stehen, als im Kattegat.
5. Das schwarze Meer steht bedeutend höher, als das Marmorameer,