Die innere Beschaffenheit der Erdrinde.
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6. Die Classe der Amphibien oder Reptilien ist im Allgemeinen dnrch
eine außerordentliche Mannigfaltigkeit ihrer Gestalten ausgezeichnet. Ueberreste von
Schlangen sOphidiernj find äußerst selten; etwas häufiger finden sich dergleichen von
froschartigen Thieren sBatrgchieruf und von Schildkröten sChelidvuiernj. Am aller-
häufigsten und in der größten Mannigfaltigkeit erscheinen die Ueberreste von Ei¬
dechsen sSauriernf. Sie sind bereits in 65 ausgestorbenen Geschlechtern bekannt.
Unter ihnen zeichnen sich viele durch ihre abenteuerlichen Formen, und nicht wenige
dnrch ihre colossale Größe aus. Die Ueberreste der Amphibien bestehen theils aus
Skeletten, theils in einzelnen Zähnen und Knochen; auch finden sich solide Haut¬
bedeckungen von Schildkröten und Sauriern, die Koprolithen der letzten und Fu߬
tapfen von Amphibien.
7. Die Classe der Vögel hat bis jetzt nur sehr wenige fossile Ueberreste gelie¬
fert, die der Sängethiere dagegen eine sehr bedeutende Anzahl. Die Ueberreste
der letztern find bisweilen vollständige Skelette, gewöhnlich aber einzelne Skelettheile,
zumal einzelne Knochen, Knochcufragmente und Zähne. Die Knochenanhäufungen
erlangen jedoch in gewissen Spalteuräumen und Höhlen eine solche Bedeutung, daß
sie zur Bildung eigenthümlicher Gesteine, der sogenannten Knochen bree cien, bei¬
tragen. Auch sind im nördlichen Sibirien die Stoßzähne und Knochen vorweltlicher Ele¬
phanten zuweilen dermaßen angehäuft, daß sie ganze Schichten bilden, und daß ein bedeuten¬
der Theil des in den Handel kommenden Elfenbeins von diesen fossilen Zähnen abstammt.
8. Wenn gleich von der ganzen organischen Welt, die in den geschichteten For¬
mationen eingeschlossen ist, vielleicht keine Art ihr Leben für die gegenwärtige Periode
gefristet hat, so sind doch keineswegs alle Gattungen mit dem Ablause des Urzustandes
der Erde erloschen. Ein großer Theil derselben hat sich, wenn auch in andern Arten,
fortdauernd erhalten, und es sind darunter welche, die wir bis in die ersten Zeiten,
aus denen uns solche Ueberreste vorliegen, verfolgen können. Dagegen ist allerdings
ein ansehnlicher Theil dieser Typen völlig ausgestorbeu, und wir können uns von
ihnen ein Totalbild nur aus der Analogie entwerfen. Umgekehrt sind aber auch
viele unserer jetzt lebenden Typen in der ältesten Periode der Erdgeschichte gar nicht
vorhanden gewesen. Das Thier- und Pflanzenreich der Urwelt zeigt sich demnach als
ein sehr eigenthümliches, von dem gegenwärtigen höchst verschiedenes.
9. In jenen uralten Zeiten treten höchst seltsame Gestalten auf, wteTri-
loblten, Fischeidechsen sJchthyosaurenj, Meerdrachen sPlesiosaurenj Flugeidechsen oder
sPterodäctylenj u. a.; allein auch die Jetztwelt entbehrt solcher seltsamen Formen
nicht, wie dies die Drachen, Schnabelthiere, Ameisenigel und Wale beweisen.
10. Was die Größe jener urweltlichen Thiere anbelangt, so haben wir unter
den lebenden Amphibien allerdings keine, die sich mit den riesenhaften Formen der
fossilen messen können, dagegen ernähren unsere Meere in ihrem Schooße die gigan¬
tischen Typen der Wale, die an Größe alle Typen der früheren Welt übertreffen. Selbst
der urweltliche Elephant sMammuthj hat an Größe nicht die großen Exemplare unserer
Elephanten überragt. Sind auch viele kolossalen Formen der Urwelt nicht mehr in
dem jetzigen Bestände der Dinge vertreten, so sind andere gigantische Gestalten an
ihre Stelle getreten, so daß in Bezug auf Mannigfaltigkeit und Größe der organi¬
schen Formen der gegenwärtige Naturbestand nicht im Nachtheile gegen den früheren ist.
11. Die Hauptmasse der thierischen Organismen der Urwelt ist in
den Kalkgebirgen, die der vegetabilischen in den Steinkohlen- und
Sa nd sie in geb ir gen abgesetzt.
12. Um sich von der Ueppigkeit des Pflanzenwuchses der Vorwelt
und von der durch Strömungen anfgehäusten Masse des gewiß auf nassem Wege in
Kohle verwandelten vegetabilischen Stoffes einen Begriff zu machen, darf man sich
nur daran erinnern, daß in dem Saarbrücker Kohlengebirge 120 Kohlenlagen über
einander liegen, die vielen schwachen, bis 1 Fuß dicken ungerechnet; daß eö Kohlen¬
stoße von 30', ja zu Johnstone sdschohnftuj in Schottland und im Creuzot in Fränk¬
isch von mehr als 50' Mächtigkeit gibt; während in der Waldregiou unserer ge¬
mäßigten Zone die Kohle, welche die Waldbäume eines gegebenen Flächeraums ent¬
halten, diesen Raum in 100 Jahren im Durchschnitt nur mit einer Schichte von 7'"
Dicke bedecken würde.
§. 108.
Die Fauna und Flora des Uebergangsgebirges und des fecundaren Gebirges,
1. Etwas Auffallendes im urweltlichen Naturbestand ist der Mangel an Ueber-
resten von Säugethieren und Vögeln, woraus man vielleicht schließen dürfte,
Völter, Lehrbuch der Geographie. I. 9