Die Erscheinungen des Luftkreises.
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§. 120.
Die Fichterscheinungen in der Atmosphäre.
1. Auf den Veränderungen, welche das Sonnenlicht in der Atmosphäre
erleidet, beruht die Farbe des Himmels, die Morgen- und Abendrölhe, die
Tageshelle und die Dämmerung, der Regenbogen, die Luftspiegelung, die
Höfe, die Nebensonnen und die Nebenmonde.
2. Die blaue Farbe des Himmels kommt daher, daß die Luft haupt¬
sächlich die blauen Sonnenstrahlen zurückwirft. Die Stärke dieser blauen
Färbung hängt von der Dicke der reflektirenden Luftschicht ab. Wässrige Dünste
werfen das Sonnenlicht unzerlegt zurück. Deshalb erhält die mit Dünsten
erfüllte Luft ein weißliches trübes Ansehen. So lange aber der Wasserdampf
als eigentliches Gas in der Atmosphäre verweilt, erhöht er die Durchsichtig¬
keit derselben.
3. Unter den Tropen ist der Himmel am reinsten; hier tritt das Licht
in seiner größten Stärke auf, die nur in der Regenzeit während der kurzen
Dauer der täglichen Ergießungen unterbrochen ist. Nichts ist der Majestät
der Nächte dieser Gegenden zu vergleichen: die Fixsterne glänzen an diesem
ewig heitern Himmel mit eben so ruhigem Licht, als die Planeten; das Flim¬
mern, was man bei uns sogar bei denjenigen Sternen wahrnimmt, die im Zensth
stehen, bemerkt man dort nur am Rande des Horizonts. Schwache Fernröhren,
die von Europa nach Indien gekrackt werden, scheinen an Kraft zugenommen
zu haben; so groß und beständig ist unter den Tropen die Durchsichtigkeit der Luft.
4. Auch die südlichen Gegenden Europa's, Griechenland, Ita¬
lien, Spanien, haben noch einen reinen Himmel. Aber je weiter man nach
Norden geht, desto mehr wird das Licht durch Dampfbläschen zerstreut, und
der Himmel nimmt die graue oder milchweiße Farbe an, die selbst in den
heitersten und wärmsten Sommertagen die natürliche Azurfarbe des Himmels
verschleiert.
5. Im hohen Norden senkt sich das Dampfmeer noch mehr zur Erd¬
oberfläche, bis es auf dieser selbst ruht. Da hat man den Himmel wieder
rein über sich, da ist er wieder tief blau und die Durchsicktigkeit der Lust
so groß, daß man auf dem Meere die Masten der Schiffe deutlich erkennt,
wenn sie eben erst am Horizont erscheinen, und manche Berge in Entfernun¬
gen von 25 Meilen sichtbar sind.
6. Die Reinheit und Durchsichtigkeit der Atmosphäre wächst
auch gegen das Innere der Kontinente, weil die größere Trockenheit der Lust
den Durchgang der Lichtstrahlen befördert. Aus demselben Grunde nimmt sie
auck mit der Höhe zu, daher auf bedeutenden Höhen, wie z. B. schon auf
dem Montblanc, der Himmel tief schwarzblau gefärbt erscheint. Besonders
zeichnen sich große Plateaux, z. B. das Plateau von Tübet und Iran, durch
große Reinheit des Himmels aus.
7. Die Morgen- und Abendröthe kommt von den in der Luft be¬
findlichen Wafferdämpfen her, welche in einem gewissen Grade der Verdichtung
die Eigenschaft besitzen, die gelben und rothen Sonnenstrahlen durchzulaffen.
8. Der Regenbogen entsteht dadurch, daß in den Regentropfen eine
Brechung stattfindet, bei welcher zugleich das Licht, wie durch das Prisma,
in Farben zerlegt wird, und daß ein Theil des Sonnenlichts von den Tro¬
pfen zurückgeworfen wird. Er zeigt die prismatischen Farben in der Weise,
daß die violetten Strahlen nach Innen, die rothen nach Außen hin liegen.