Rußland. 221 
Stile erbaut; d. h. zweistöckig, mit flachen eisernen Dächern, mit vielen 
Säulen und Balkonen. Früher fehlte es der Stadt oft an Trinkwasser, 
ein Uebelstand, dem jetzt durch Brunnen und eine Wasserleitung abgeholfen 
ist. In der Mitte der Stadt befindet sich ein schöner öffentlicher Garten. 
Wichtiger noch, als die für russische Zustände ziemlich guten Lehranstalten, 
die Seebäder und industrielle Betriebsamkeit, ist der Handel Odessas. 
Der wichtigste Ausfuhrartikel ist Weizen, der nach der Türkei, Italien, 
Frankreich, Spanien und England verschifft wird. Andere Gegenstände 
der Ausfuhr sind Flachs, Bauholz, Leinsaat, Wolle, Talg und Häute, 
während die Haupteinfuhrartikel in Colonialwaaren und Fabrikaten aller 
Art bestehen. Schiffe beschäftigt Odessa 800 bis 1000 jährlich. Es hat 
zwei Häfen, durch zwei Molos gebildet, der Quarantaine— (spr. Karanghtän) 
und der Kriegshafen. Ersterer ist für alle ausländischen Schiffe und von 
den Quarantainegebäuden, den Waarenspeichern für verdächtige Waaren, 
den Hospitälern und Beamten-, Fremden- und Kaffeehäusern und meh— 
reren großen Plätzen umgeben. Durch Mauern und Befestigungen und 
Gitter ist er von der übrigen Stadt streng abgesperrt und von bewaffneten 
Soldaten bewacht. Von dem Meere wird er durch eine Anzahl bewaffneter 
Wachtboote abgeschlossen, welche die Quarantaine streng handhaben und 
verdächtige Schiffe, Personen, Waaren überwachen. Der Kriegshafen ist 
auch zum Einlaufen für die Küstenfahrer bestimmt. 
Die Bewohner Odessas, gegen 80,000, machen ein wahres Völker— 
gemisch aus. Auf der Straße hört man russisch, englisch, italienisch, deutsch, 
spanisch, tatarisch, polnisch, türkisch, bulgarisch, dalmatisch, griechisch und 
schwedisch reden, und zwar nicht etwa von einzelnen vorübergehenden 
Fremden, sondern von einer Menge hier angesiedelter und einheimischer 
Leute. Die Sprachverwirrung ist in ganz Rußland groß, aber in Odessa 
hat sie einen so hohen Grad erreicht, wie einst in Babel. 
In der Umgebung Odessas findet man viele blühende und wohlein— 
gerichtete deutsche Colonistendörfer. — 
Nikolajew, am Bug, 40,000 E., Kriegshafen. 
Cherson, an der Mündung des Dniepr, 30,000 Einw., Festung, 
Kriegshafen. 
Elisabethgrad, 12,000 E., Festung, Handel. 
Kischenew, am Bikul, zwei Meilen im Umfange, eine der größten, 
wenn auch nicht volkreichsten Städte in Europa, ist ein Labyrinth von 
Hütten und Häuserchen, mit einer Bevölkerung von eirca 50,000 E., einem 
bunten Gemisch verschiedenartiger Volksstämme. Zahlreich sind die Juden, 
über 16,000. in deren Händen fast aller Groß- und Kleinhandel sich be— 
findet; viel Holzhandel; berühmter Weinbau; Handel mit getrocknetem Obste. 
Akjerman, Hafenstadt am Mündungsbusen des Dniestr, 18,000 3 
Citadelle; in der Umgegend deutsche Coloniedörfer.
	        
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