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Deutschland.
mes Geflügel findet man in bedeutender Anzahl und von besonderer
Güte. Die Kühe namentlich sind groß und schön, und man rechnet
daß eine gute Kuh täglich 12 Kannen Milch liefert. Die Bewohner
der Vierlande stammen wahrscheinlich von Kolonisten ab, die im 12.
Jahrhunderte aus den Niederlanden hieher versetzt wurden, und zeich¬
nen sich durch ihre Kleidertracht sowohl, als durch mehrere, ihnen
ausschließlich eigene Sitten und Gebräuche aus, so daß sie als ein
von ihren übrigen Nachbarn ganz verschiedener Volksstamm erschei¬
nen. Bon der Natur mit starkem Körperbau, Kraft und Gesundheit
begabt, sind sie regsam und fleißig, dienstwillig, höflich, bescheiden,
aufgeklärt und fromm, voll Liebe zu ihrem Lande und Ergebenheit
gegen ihre Obrigkeit. Betriebsamkeit ist ihnen angeboren, und die¬
se beschränkt sich nicht allein aus den Land - und Gartenbau, sondern
sie weiß selbst aus vielfachen Gegenständen des Handels und dcrJn-
dustrie Gewinn und Reichthum zu erzielen; sie gehören zu den un¬
ternehmendsten und gewandtsten Handelsleuten. Zu jedem rechtlichen
Betriebe werden sie von der frühesten Jugend angehalten; zehnjäh¬
rige Kinder beiderlei Geschlechts findet man schon als Verkäufer man¬
cherlei Gegenstände auf dem Markte und in den Straßen Hamburgs.
Die Weiber und Mädchen sind besonders als gewandte Gemüse-,
Blumen - und Obsthändlerinnen bekannt. Selbst bis Leipzig und
Braunschweig ziehen die Vierländer mit marinirten Neunaugen und
geräuchertem Lachs zur Zeit der Messen und versorgen die dortigen
Jtalienerkeller mit diesen Leckereien; überhaupt treiben sie eine be¬
deutende Fischerei. Ihre Wohnungen zeugen im Innern und Aeu-
ßern von der Wohlhabenheit, dem Ordnungs- und Reinlichkeitsinn
und dem originellen Geschmacke ihrer Bewohner. Durch den bunt¬
farbigen Oclanstrich des Holzwerks, durch die vielfach angebrachten
Sinn - und Sittensprüche, durch die spiegelhellen Glasscheiben, durch
die mit feinen Obstsorten umpflanzten oder mit Wcinstöcken umrank¬
ten Wände stellen sie sich schon im Aeußern dem Auge freundlich dar
und diesem freundlichen Aeußern entspricht auch das Innere, worin
überall Holländische Reinlichkeit herrscht; die mit Holzwerk, zum
Theil auch mit buntfarbigen und glasurten Holländischen Fließen
(thönernen gebrannten Platten) getäfelten Wände der Stuben pran¬
gen mit frommen Sprüchen, mit Blumen und Thieren, selbst das
hölzerne Hausgeräthe ist häufig reich mib nicht ohne Geschmack ver¬
ziert; und dieser Sinn für Schnitzwerk, bunte Malerei und Vergol¬
dung erstreckt sich sogar aus ihre' Wagen und Ever (Elbfahrzeuge),
die man selten ohne irgend eine Verzierung dieser Art sieht. Zur
Erhaltung ihrer Eigenthümlichkeiten in ihrer Lebens-, Denk-, und
Handelsweise trägt viel bei, daß sie sich nur unter sich selbst verheirathen.
Aus diese Weile sind beinahe alle untereinander verschwägert und ge-
wisse Eigenheiten werden in den Familien unverändert fortgepflanzt.