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Das Schloß zu Arva.
nährt nur Flachs, Hafer und Kartoffeln, weshalb die Bewohner der übervölkerten
Gespanschaft in reichere Gegenden auswandern, um Arbeit zu suchen, oder als
Hausirer Leinwand oder Oele feil bieten, indem sie die halbe Welt durchwandern.
Selbst den ungeheuren Reichthum an Steinkohlen weiß man noch nicht zu ver¬
werthen. Das Comitat bildet ein breites, von hohen Gebirgen umschlossenes
Becken von kalter, stiller Großartigkeit. Hoch ragen Felspyramiden am Kesselrande
zum Himmel, hier die Pyramide des Stocha, dort der kleine Krivan, der Sip
und in der Ferne der grüne Rücken der Magura, dort der kolossale Choos und wie
die Riesen alle heißen, die in wilder Unordnung das Becken umstehen. Dunkle
Wälder rauschen, Bäche und Flüsse stürzen aus den Schluchten, tragen zuweilen
auch ein behendes Floß, aber dennoch liegt über all' der kalten Pracht ein trüber
Ernst der Armuth und Ungastlichkeit der Temperatur, den selbst die nett aus
Fachwerk gezimmerten Häuser mit den Schindeldächern, buntumrahmten Fenstern
und dem Schnitzwerk auf dem spitzen Giebel nicht zu verbannen vermögen. Der
Stolz des Comitats ist das bereits weiter vorn abgebildete Schloß zu Arva, ein
Besitz der im Lande sehr verehrten Familie Georg Thurzo's, dessen Statue und
Monument im Schlosse steht, da er Graf von Arva, Palatin Ungarns und
Schützer der Protestanten war. Der Gipfel eines Kegelberges trägt das stattliche
Fürstenschloß, welches in drei Absätzen an ihm hinaufsteigt. Ein steiler Weg
führt zu dem Thore und den Kasematten des untern Thurzoer Schlosses, welches
seine stattliche Front auf einer Fessenplatte ausbreitet. Eine breite Treppe ge¬
stattet den Zugang zum zweiten Schloß, welches früher von fürstlicher Pracht
strahlte, da seine Außenwände mit Gemälden bedeckt waren, wie es damals fürst¬
liche Sitte gebot. Der stolze gothische Bau, innerhalb dessen Mauern ein Theil
der ungarischen Geschichte spielte, liegt setzt in Ruinen, über denen auf schroffer
dünner Felsspitze wie ein Storchennest das dritte Toköly'sche Schloß steht, welches
über dem Thorwege die Inschrift trägt: Impensis branoisei Thurzo erectum
anno 1561. Reizende Fernsichten in das Arvathal und nach den nahen galizischen
Bergen lohnen die Mühe des Ersteigens der Burg, welche trübe Erinnerungen
an Ungarns zerrüttende Parteikriege erweckt, an Botskas, Tököly, Rakoezy, Za-
polya und die Thurzo's.
Aus dem kalten Arva treten wir, dem Flusse folgend, in das Gartenland
des von der Waag und dem Thurotz durchströmten Kessels des thurotzer Comi¬
tats, auf dessen Feldern neben Gersten -, Hafer- und Kartoffelfeldern die be¬
liebten thurotzer Steckrüben wachsen, dessen Krummholzöl als Balsam viel ge¬
braucht wird, auf dessen grasreichen Bergen Schafe und Rinder weiden, oder
Arzneikräuter wachsen, Sauerbrunnen sprudeln, in dessen Stromschnelle Mar-
gilta der Flößer nicht ohne Stoßgebet sein Bretterfahrzeug einlenkt, und
dessen Städtchen Mosoez stolz darauf ist, des slavischen Dichters Kollar Geburts¬
ort zu sein.
Weiter die Waag abwärts wandernd besteigen wir im Trentsiner Comitat,
in der waldreichen Heimath der Drahtbinder, den Schloßberg bei Trentsin, der
die Ruinen einer der ältesten, festesten und größten Burgen trägt, von welcher