334
A, Europa,
fuste hat zwar das Meer selbst ein Bollwerk erhoben, die Dünerh
eine Reihe Hügel, welche aus bloßem vom Meere ausgeworfenen
Sande bestehen; andre Theile der Küste hingegen können gegen die
Gewalt des Meers und der großen Ströme nur durch künstliche
Damme oder Deiche geschützt werden, deren Unterhaltung unge¬
heure Summen kostet. Weil aber ein großer Theil dieser Provin¬
zen mit dem Meere in gleicher Höhe, ja stellenweise beträchtlich tie¬
fer liegt, so wären sie dennoch, sich selbst überlassen, bald in un¬
fruchtbare Moräste verwandelt. Um sie einigermaßen auszutrock¬
nen, hat man daher unzählige Kanäle gezogen, welche, wie die
^ Rippen eines Blattes, das Land in allen Richtungen durchschneid
den. Da, wo diese Kanäle in das Meer oder in große Ströme
münden, sind mächtige Schleusen angebracht, theils um das Ein¬
dringen des Seewassers bei der Fluth zu verhüten, theils auch um
bei niedrigem Stande des Meers das überflüssige Wasser aus den
Flüssen und dem Lande abzulassen. Kein Land in der Welt hat so
viele Kanäle, als einige niederländische Provinzen, besonders Hol¬
land, Seeland, Friesland und Gröningen; in keinem Lande sind
aber auch Kanäle zugleich nothwendiger und leichter anzulegen,
weil bei der ganz flachen Beschaffenheit des Landes das Graben des
weichen Bodens keine Schwierigkeit macht, die Flüsse nur wenig
Fall haben und also um so leichter durch wenige Schleusen zu bän¬
digen sind. Diese Kanäle sind zu gleicher Zeit eine Zierde des Lan¬
des, denn beinahe überall sind sie sauber gehalten, von Dämmen
eingefaßt und mit den schönsten Lindenalleen bepflanzt, und sie ge¬
wahren überdies eine außerordentliche Bequemlichkeit für den Han¬
del und die Verbindung aller Städte. Bei dem Ueberfluß an Was¬
ser sind die meisten Kanäle tief und breit, so daß sie von sehr be¬
deutenden Kähnen und Schiffen können befahren werden. Die
nördlichen Provinzen haben beinahe keine andre Landstraßen, alles
Verkehr, alles Reisen geschieht auf den Kanälen, weil in einem
Lande, wo es beinahe keine Steine giebt, der Boden aber überall
feucht und tief ist, die Anlage von Chausseen beinahe unmöglich
wird. Täglich gehen hier, von den bedeutenderen Städten meh¬
rere Male, Fahrzeuge ab, hierlreelesehu^ten ( — scheuten) (Zieh¬
kähne) genannt, welche allein zur Bequemlichkeit der Reisenden
eingerichtet sind. Sie werden von Pferden gezogen und legen ge¬
wöhnlich eine deutsche Meile in einer Stunde zurück. Ihr Gang
ist beinahe auf die Minute bestimmt, da Wind und Wetter gar
keinen Einfluß darauf haben können. Auf größeren Gewässern,
z. B. der Südersee, reiset man in größeren, segelnden Schiffen,
hier Beurtschiffe (bört—) genannt. Freilich aber ist dieses
Reisen, obgleich wohlfeil und höchst bequem, doch auch sehr lang¬
weilig, weil man sich beinahe beständig zwischen Dämmen einge¬
schlossen befindet und das flache Land ohnehin keine Abwechselung
darbietet. — In den nördlichen Provinzen ist der Boden nur